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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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einen Eimer als Nachttopf vor. Wenn einer der Männer sich die Hose herunterließ, interessierte es die anderen kaum, bei einer Frau war das natürlich etwas anderes und selbst Bess hätte sich wohl an ihrem Starren gestört. Zu allem Übel stellte Ramis dann auch noch fest, dass ihre Tage begonnen hatten. Zwar hatte sie sich in den vielen Jahren daran gewöhnt und betrachtete es sogar als sich zugehörig, aber musste es immer in den unpassendsten Momenten auftreten? Die Männer betrachteten dieses Zeichen der Weiblichkeit voller Unwohlsein, es hieß, Frauen und besonders Frauenblut brächte Unglück auf dem Schiff. Mit einer gewissen Häme dachte Ramis, sie würden dabei immer im Unwissen bleiben, wann sie sich in Acht nehmen mussten, denn es warnte sie niemand. Sie waren selbst schuld, wenn sie so abergläubisch waren. Ramis hielt es in dem Gestank nicht lange aus und sie suchte draußen nach einer abgelegenen Stelle, um sich dort zu erleichtern. Danach musste sie erst einmal zurück ins Zimmer und sich ihre Leinenbinden holen.
    Edward schlief immer noch und würde das in absehbarer Zeit auch noch tun. Ramis brachte es nicht übers Herz, ihn zu wecken und so verließ sie das Zimmer wieder ohne ihn. Es bereitete ihr Unbehagen, ihn allein zu lassen, denn Edward war recht unvernünftig. Am liebsten hätte sie das Zimmer verschlossen, aber das wäre dem Jungen gegenüber unfair gewesen. Er musste schließlich auch mal auf den Abort oder bekam Durst. Ramis tappte die schmale Holztreppe herunter und öffnete die Tür zur Gaststube. Am Morgen war hier nichts los, die meisten schliefen anscheinend noch. Eine einzelne Gestalt saß an einem Tisch, einen Becher und eine Schale mit Essen vor sich. Ramis wusste sogleich, dass es Bess war. Sie war noch nicht entdeckt worden, Bess starrte abwesend in ihrem Becher. Eilig schickte sie sich an, weiterzugehen, aber die Bewegung entging Bess nicht. Sie blickte auf und rief zu ihr herüber:
    "Ramis!" Sie tat, als hätte sie Ramis nicht schon längst gesehen.
    Ramis änderte missmutig ihre Richtung. Bess wusste genau, dass Ramis ihr nicht begegnen wollte.
    "Wohin des Weges so früh am Tage?"
    "Ich wollte einfach ein bisschen raus. Mir die Stadt anschauen."
    "Dann stört es dich sicher nicht, wenn ich mitkomme? Ich wollte ohnehin etwas erledigen."
    Es störte Ramis, aber das sagte sie nicht.
    "Es ist schon eine Weile her, se it ich zuletzt auf Barbados war", fuhr Bess im Plauderton fort, während sie neben Ramis herging.
    Draußen war es schon ziemlich hell und einige Leute, die zu arbeiten hatten, tummelten sich auf den Straßen. Bess übernahm ganz selbstverständlich die Führung. Die beiden schwiegen sich eine Weile an, Ramis hätte sowieso nicht gewusst, worüber sie mit der Piratin reden sollte. Ein Mann mit sehr dunkler Haut und zerlumpter Kleidung schlurfte an ihnen vorüber. Beschämt stellte Ramis fest, dass sie automatisch einen Bogen um ihn machte. Er musste einer der Sklaven sein, die hier arbeiteten. Starr und gleichgültig hatte er den Blick auf den Boden gerichtet, als interessiere ihn die Verachtung und Abscheu nicht, mit der ihm die Leute begegneten. Vielleicht war in Gedanken bei seiner fernen Heimat, die er niemals wieder sehen würde.
    "Was ist mit dem Mann?" , fragte sie Bess.
    "Der da?" Sie schnaubte verächtlich. "Der kommt von den Plantagen."
    "Aber warum sieht er so elend aus?" Es war eine dumme Frage, sie hörte sich an wie von einem Kind.
    "Er ist dazu da, um zu arbeiten, Schätzchen. Vermutlich ergeht er sich in Selbstmitleid. Pass nur auf, wenn du ihm etwas Gutes tun willst, nutzt er das weidlich aus. Sie sind wilde Tiere und müssen unter Kontrolle gehalten werden."
    Ramis sagte nichts mehr. Der Mann blickte auf, vielleicht hatte er ihre Unterhaltung gehört und verstanden. Einen Moment trafen seine Augen die von Ramis und sie erschrak über die Lebensmüdigkeit, die sie darin fand. Dieser Mensch war gebrochen. Zweifellos würde sein Leben nicht lange währen, er wirkte krank und ausgemergelt. Die Frage, welches Ungeheuer das einem Menschen antun konnte, beantwortete sie sich selbst. Es waren Mensc hen, die zu ihren Familien und Ihresgleichen sehr freundlich waren und es als ihr Recht betrachteten, diese Fremden so zu behandeln. Sie hatten sie schließlich gekauft. Die meisten mochten nicht einmal so sadistisch sein, wie es Sir Edward gewesen war. Ramis ärgerte sich über die Unfähigkeit der Menschen, etwas zu sehen, was außerhalb ihrer selbst

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