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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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verlässt! Dich selbst kannst du nicht anlügen...
    Sie runzelte die Stirn. Es war einfach lächerlich, dass sie mit sich selbst Diskussionen führte. Aber leider stimmte es, sie versuchte immer, sich die Wahrheit zu verschweigen, aus Angst vor dem Schmerz oder aus Scham. Von Zeit zu Zeit entdeckte sie dann Dinge über sich, die sie nie hatte wissen wollen. Dinge, die meistens besser ruhen geblieben wären... Und es mochte noch sehr viele davon geben. Ramis schlug sich ärgerlich gegen den Kopf, um ihre Gedanken zu vertreiben. Wenn sie so weiter machte, würde sie bald bei den Irren landen, bei denjenigen, die glaubten, mehrere Personen zu sein. Ramis rutschte aus dem Bett und setzte sich zu Edward. In ihr erhob sich die Sehnsucht, dass er wirklich ihr eigenes Kind von ihrem Blute wäre, sie wünschte sich das Gefühl, ihn als Baby in ihrem Bauch zu spüren und dann die erste zu sein, die ihn nach der Geburt in den Armen hielt. Sie wollte das magische Band zwischen Mutter und Kind spüren, das in den Monaten der Schwangerschaft geschmiedet wird. Dieses Sehnen zog spürbar in ihrem Bauch, wie in der Zeit nach ihrer Fehlgeburt. Ramis zog Edward fest in ihre Arme, ohne daran zu denken, dass sie ihn aufweckte. Wenn sie ihn ganz fest an sich presste, konnte sie vielleicht das Gefühl der Einheit herstellen, die verlorene Zeit zurückbringen...
    "Mein Baby!" , flüsterte sie. "Du sollst immer in mir bleiben... Verlass nie deine kleine Welt, verlass nie deine Mutter..."
    Edward öffnete kurz die Augen, nur um gleich wieder weiterzuschlafen, geborgen in warmen Armen.
    "Mutter..." , murmelte er und Ramis wusste, dass er damit sie meinte.
    Sie bettete ihn nach einer Weile wieder in seine Decken und erhob sich, um sich anzuziehen. Nach einigem Zaudern entschied sie sich, hier in der Stadt einen alten Rock anzuziehen, weil Frauen für gewöhnlich keine Hosen trugen und sie sollten schließlich kein Aufsehen erregen. Der Rock war schlicht und braun, ein gewöhnlicher Armeleuterock. Spöttisch fragte Ramis sich, ob Bess mit ihrem inzwischen ramponierten Wams gegangen war, mit seinen ehemals auffallenden Farben. Sie konnte sich Bess aber auch nicht in etwas Anderem vorstellen. Am allerwenigsten in einem Rock. Allein die Vorstellung musste jeden erheitern. Ramis zog sich eine der schrecklichen Hauben über, die niedere Frauen tragen mussten und hängte sich ein Schultertuch über ihr unverkennbar schmutziges Männerhemd. Sie sah einfach lächerlich aus, das spürte sie, ohne sich überhaupt im Spiegel gesehen zu haben. Besser sie hätte versucht, sich als Junge zu verkleiden. Doch dazu war sie inzwischen zu fraulich, musste sie sich seufzend eingestehen. Es gab keine Jungen mit Brüsten und runden Hüften. Sie sollte nur aufpassen, dass ihr in der Stadt keiner aus ihrer Mannschaft begegnete. Das wäre sehr peinlich.
    Ramis räumte, bevor sie ging, ihres und Edwards Sachen auf und legte die beiden schlapprigen Hüte auf ihr Bett, die sie für sich und Edward erworben hatte. Auf See brauchte man einen Sonnenschutz, das war ihr schnell klar geworden. Am besten eigneten sich dafür breitkrempige Hüte und wenn sie auch scheußlich aussahen, so erfüllten sie doch ihren Zweck. Ramis hatte schon viel verrücktere Hüte auf den Köpfen von Piraten gesehen, bei denen man sich wirklich fragte, ob nicht ein Wahnsinniger sie in einem Anfall entworfen hatte. Damals hatte Ramis aber noch nicht begriffen, wozu die Mode alles fähig war. In ihrer Welt waren Kleidungsstücke stets nur zum Gebrauch da und wenn sie durch ihre Nähertätigkeit mit der Welt der Adligen in Berührung gekommen war, so war das vor allem mit Lady Harriets konservativen Kleidern. Auf jeden Fall wunderte Ramis sich, wie jemand es wagen konnte, derartige Hüte aufzuziehen, es musste ihn doch jeder für einen Verrückten halten. Außer ihrem noch sehr gemäßigten Hut besaß sie ein buntes Kopftuch, das sich für windiges Wetter eignete. Es war so groß, dass man sich auch darin einwickeln konnte, wenn es nötig war.
    Ramis stopfte sich die letzten blonden Strähnen unter die Haube, drückte Edward einen kleinen Kuss auf die Wange und machte sich dann auf die Suche nach dem Abort in diesem Gasthaus. Sie fand es hinter dem Haus in Form eines völlig verdreckten Loches im Boden. Die Menschen hier kannten so etwas wie sanitäre Anlagen nicht. Auf dem Schiff waren gar keine vorhanden, die Männer hockten sich einfach über die Reling oder den Bugspriet. Ramis und auch Bess zogen

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