Dunkle Häfen - Band 1
heraus. Er trug eine Uniform. Als er sie entdeckte, sah er ganz und gar nicht erfreut aus.
"Was habt ihr hier zu suchen?"
Ganz offensichtlich waren sie für ihn Gesindel aus der Stadt. Bess fixierte ihn scharf.
"Sollte dein Gedächtnis dich im Alter doch im Stich gelassen haben, Dickie? Begrüßt man so eine alte Freundin?"
"Tatsächlich! Wie konnte ich dich nicht erkennen! Bess, altes Haus! Das muss wohl an deiner Begleiterin gelegen haben..." , muffelte der Portier in Ramis Richtung. "Mr. Seymoor wird sich freuen, dich zu sehen! Ich werde dich gleich anmelden!"
Beflissentlich öffnete er die Tür. Er musste Bess gut kennen. Ramis staunte doch immer wieder über diese Frau.
"Muss denn die Kleine hier rein?"
Damit war Ramis gemeint. Erst jetzt fiel ihr peinlich berührt ihr Aufzug wieder ein. Sie musste lächerlich aussehen, wie eine Schwachsinnige, die versucht hatte, sich anzuziehen.
"Sie kommt mit ", erklärte Bess gelassen und ließ es dabei bewenden.
Ramis war erleichtert. Sie hatte keine Lust, alleine hier draußen zu warten. Der Portier ließ also auch Ramis herein und führte sie zum Eingang des Hauses. Er bat sie, dort zu warten.
"Wegen der Dame ", meinte er mit vielsagendem Blick.
Ramis verstand nichts. Sie warteten eine Weile vor dem Haus, Bess wanderte ungeduldig hin und her. Das gab Ramis die Gelegenheit, sich einen besseren Eindruck von dem Anwesen zu verschaffen. Hier lebte eine reiche Familie, wenn auch keine Adligen, wie sie vermutete. Der Portier kam wieder und teilte ihnen mit, Mr. Seymoor würde sich freuen, sie zu empfangen. Er brachte sie ins Haus hinein, wo es überraschend kühl war. Es hatte viele Fenster, durch die ein frischer Luftzug hereinkam. Das Haus war auch von innen imposant, die Einrichtung teuer. Doch das Haus war neu, es war nicht voller Vergangenheit, wie die jahrhundertealten Stammsitze des englischen Adels, in denen überall das Vergangene präsent war, durch Porträts und Wappen, durch Möbel und den viel gerühmten Stammbaum. Es erzeugte eine Schwere, die auf manche gar erstickend wirken mochte. Hier gab es wohl nur die Tradition, die sein Erbauer und wohl jetziger Besitzer pflegte. Als sie eine breite, weiße Treppe nach oben stiegen, hörten sie aus einem Raum kultivierte Frauenstimmen. War das die 'Dame'?
Der Portier öffnete eine Tür vor ihnen und sie traten ein. Vor dem Fenster stand ein Mann, der sich umdrehte, als ihr Begleiter ankündigte:
"Sie ist da, Mister."
"Bessie!"
Ramis registrierte überrascht die offenkundige Freude in den Augen des Mannes.
"Wie schön, dich zu sehen!"
Noch unglaublicher schien ihr, dass der elegant gekleidete Herr Bess raue Hand nahm und sie wie bei einer Dame küsste. Er musste etwa so alt wie Bess sein, sein lockiges, rotes Haar war jedoch noch immer voll. Sein Gesicht war schmal, in ihm fiel die Nase sofort auf, die ziemlich schief aussah, als ob sie einmal einen heftigen Schlag erlitten hatte. Seine Augen waren grün. Schockiert bemerkte Ramis, dass Bess lächelte wie ein junges Mädchen. Sie sah doch wirklich richtiggehend feminin aus, sogar in ihrem alten Wams! Die beiden schienen sich sehr gut zu kennen, und augenscheinlich war da noch mehr.
"Es ist lange her, was John?"
"Da hast du leider recht. Ich kann dir nicht sagen, wie es mich freut, dass du hier bist. Aber was hat dich hierher verschlagen? Weg von deinem geliebten Meer?"
"Ein Sturm, um genau zu sein. Die Fate liegt halb leck im Hafen."
"Aha, immer noch der alte Kübel. Da brauchst du doch sicher jemanden, der sie wieder instand setzten lässt, was?"
"Du weißt, dass ich dich nicht gerne frage, John. Aber ich bin pleite. Die Zeiten sind verdammt schlecht."
"Ich weiß. Ich habe an dich gedacht, als ich erfuhr, dass es Krieg geben würde." Er hielt immer noch fast zärtlich Bess Hand in der seinen. "Ich tue das gerne für dich. Aber bekomme ich denn gar nichts dafür von dir?"
Bess lachte, aber eine Spur Ernst lag darin.
"Wir hatten ausgemacht, dass das vorbei sein würde."
"Trotzdem wünschte ich, du könntest hier bleiben."
Bess schüttelte den Kopf. "Wie geht es deiner Frau?"
"Ziemlich gut, schätze ich. Sie wäre nicht froh, dich hier zu sehen."
"Das kann ich mir vorstellen. Aber ich habe dir noch gar nicht meine Begleiterin vorgestellt."
Erst jetzt schien sie s ich daran zu erinnern, dass Ramis auch da war.
"Das ist Anne. Sie gehört zu meiner Mannschaft."
John Seymoor sah sie nicht unfreundlich an und reichte ihr seine Hand.
"Dafür seid
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