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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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heute gab es nichts zu besprechen. Abgesehen von ein paar Landgängen in kleinen Städten und Piratenbuchten passierte nicht viel, was zu beraten gewesen wäre. An diesem Abend war Bess allein. Ramis fühlte sich wie ein Soldat, der vor seinen Vorgesetzten zitiert wird, als sie die Tür hinter sich schloss und dann stehen blieb. Bess baute auf dem Tisch vor sich ein Brett auf, mit schwarzen und weißen Feldern. Schach, stellte Ramis fest, nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte. Sie wusste, dass das gewöhnlich ein Zeitvertreib der Reichen war. Weiterhin hatte sie gehört, dass es ein strategisches Spiel war, in dem man zwei Armeen gegeneinander ausspielte.
    "Kannst du das spielen?" , fragte Bess, woraufhin Ramis den Kopf schüttelte.
    "Die Grundzüge lernst du schnell. Wenn du es ein bisschen besser kannst, wirst du sehen, dass es sehr viel Spaß macht - oder sollte ich sagen, dass es sehr aufwühlt? Der Triumph, deinen Gegner geschlagen zu haben, ist beachtlich."
    Bis spät in die Nacht erklärte Bess ihr also die Regeln des Spiels. Am Anfang konnte Ramis dem Spiel nicht viel abgewinnen, denn natürlich verlor sie jede Partie.
    Bess lud sie jedoch öfter ein und Ramis begann die Abende allmählich zu schätzen. Sie wurde langsam immer besser. Während der übrigen Zeit versuchte sie, nicht über die Zukunft nachzudenken. Sie konzentrierte sich völlig auf ihre Ausbildung als Piratin. Wenn ihr noch Zeit blieb, versuchte sie, Edward Lesen und Schreiben beizubringen. Sie wollte ihn unterrichten, wie es Martha bei ihr getan hatte. Der Junge hörte allerdings eher unkonzentri ert zu. Er sah darin wenig Sinn. Selbst wenn sie ihm klarzumachen versuchte, dass es immer von Vorteil war, gebildet zu sein und dass Wissen unabhängig machte, zeigte er sich uneinsichtig. Ramis aber lernte, was sie konnte. Sie hatte das Gefühl, irgendwo herauskommen zu müssen und nur Wissen konnte ihr dabei helfen. Und durch Bess lernte sie sehr viel. Die Piratin hatte eine Lebenserfahrung, die Ramis ehrfürchtig machte. Während sie spielten, unterhielten sie sich über Gott und die Welt. Einmal zeigte Bess Ramis eine große Karte der bekannten Welt. Ramis staunte darüber, wie winzig klein England hier doch aussah und wie groß der Ozean war. Als sie noch in London und Bristol lebte, war ihr das Land riesig vorgekommen. Manchmal, wenn der Himmel sternenklar war, erklärte Bess Ramis auch die Sternbilder. Edward kam sich bei alldem ausgeschlossen vor und nahm es ihr übel, dass sie so viel mit Bess zusammen war. Ramis hätte ihn ja gerne mitgenommen, aber es wurde oft spät und Edward brauchte seinen Schlaf. Im Übrigen hätte es ihn letztendlich auch gelangweilt, so wie ihn sein Unterricht anödete. Um einen Kompromiss zu finden, blieb Ramis bei ihm, bis er eingeschlafen war. In diesen Momenten fühlte sie besonders stark, dass sie wirklich erwachsen und nun eine Mutter war. Die Verantwortung füllte das Loch in ihrem Herzen, das ihre eigene verlorene Kindheit hinterlassen hatte.

Krieg
     
    Mehr oder weniger ereignislos verging so ein weiteres halbes Jahr. Im Mai 1702 erfolgte die endgültige Kriegserklärung an Frankreich. Der Spanische Erbfolgekrieg begann. Es wurde Sommer und die ersten Scharmützel zu Land und zur See fanden statt. Nach dem Tod von William von Oranien, der im Frühling bei einem Reitunfall verunglückt war, wurde Prinzessin Anne Königin, denn der König hatte keine Nachkommen. Anne war ebenfalls eine der Töchter von Exilkönig James. Sie war die Schwester von Mary II, die schon einige Jahre vor ihrem Mann gestorben war. Es war von einigen Veränderungen die Rede, wie gewöhnlich bei einem Machtwechsel. Königin Anne war den Gerüchten nach eine gutmütige Frau, manche sagten, sie sei schwach. Vielleicht sagten sie das nur, weil es eine Frau war, dachte Ramis bei sich.
    Während sie in der brütenden Hitze litt, vermisste sie das milde, kühle Klima Englands. Ihr fehlte der sichtbare Wechsel der Jahreszeiten. Es wurde bald wieder Herbst und war immer noch sehr warm. Als der Ausguck am Horizont Rauch entdeckte, strömte die Mannschaft an Deck zusammen. Man hatte schon länger keine Beute mehr gemacht, tatsächlich zeigte der Krieg nun seine Auswirkungen. Alle vermuteten, dass dort ein Kampf im Gange war. Und bei einer Schlacht gab es normalerweise auch Überlebende, deren Schiff mit ein bisschen Glück schwer beschädigt sein würde. Wenn das alles nicht zutraf, blieben an den Kampfplätzen meist immer noch brauchbare

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