Dunkle Häfen - Band 1
ihnen diese Entscheidung abgenommen. An einem sonnigen Tag meldete der Ausguck sein erhofftes: Schiff in Sicht!
"Was für eins?" , brüllte Bess hoch.
"Ein spanisches Handelsschiff! Allein!"
Die Männer johlten. Sie hatten großes Glück. Nur Ramis fühlte wachsendes Unwohlsein. Sollte es zum Kampf kommen, würde man von ihr erwarten, mitzukämpfen. Doch sie konnte das nicht, selbst wenn sie gewünscht hätte zu kämpfen, fehlte ihr das nötige Geschick im Umgang mit der Waffe. Energisch rief sie Edward zur Ordnung, der es dagegen kaum erwarten konnte, endlich seine neuen Fähigkeiten auszuprobieren. Aber er würde sich da heraushalt en, das war sicher! Ein Kind konnte man nicht gegen Erwachsene antreten lassen.
Das Piratenschiff näherte sich mit voller Geschwindigkeit. Bei den Gegnern ents tand Unruhe. Sie erkannten schnell, dass sie es mit Piraten zu tun hatten. Zu unsicher waren diese Gewässer, doch irgendein geldgieriger Schiffsbesitzer hatte es nicht für nötig gehalten, seinem Schiff eine Eskorte zu verschaffen. Den Spaniern ging auf, dass sie mit ihrem schweren Schiff nicht entkommen konnten. Brummelnd beobachteten die Piraten, wie sie sich gefechtsbereit machten. Obwohl sie in der Minderheit waren, schienen sich die Matrosen nicht ergeben zu wollen. Viele zogen auch den Tod der grausamen Behandlung der Piraten vor.
Auf der Fate wurden die Kanonen gefechtsbereit gemacht und die Mannschaft bewaffnete sich. Zwölf Kanonen hatten die Piraten zur Verfügung, das Handelsschiff aber nur sechs, obwohl es viel mehr hätte laden können. Sicher hatte man gedacht, sie würden ohnehin nur Platz wegnehmen. Das war sehr unvernünftig in diesen Zeiten und unverzeihbar. Der Besitzer würde seine ganzen Waren verlieren. Die Schiffe näherten sich der Kanonenschussweite. Der Steuermann der Fate riss das Steuer herum, um den anderen die Breitseite zuzukehren. Als wäre es abgestimmt, hatten sie sich gerade gedreht, als sie in Reichweite kamen.
"Feuer!" , kam der Befehl auf der Fate und die Kanonen donnerten ohrenbetäubend los.
Das Handelsschiff wurde von der vollen Breitseite erwischt. Eilig machten sich die Männer an den Kanonen ans Nachladen, da brüllten auch die Kanonen der Spanier auf. Eine Kugel traf die Fate und es gab einen heftigen Ruck. Es schien nicht so schlimm zu sein, meldete ein Pirat Bess hastig. In dicken Rauchwolken jagten die nächsten Kugeln los. Diese Schüsse saßen. Das Handelsschiff würde bald sinken, es war gefechtsunfähig. Die Piraten drängten sich an der Reling, soweit sie zum Enterkommando gehörten. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet und ihre Augen blitzten blutrünstig. Ihr martialisches Gebrüll ging durch und durch. Ramis hielt sich mit Edward im Hintergrund. Das Lärmen der Kanonen machte sie halb taub und ihre Augen tränten von dem Rauch. Auf dem fremden Schiff musste etwas in Brand geraten sein, denn Flammen züngelten übers Deck. Ramis wusste, dass es sehr gefährlich gewesen war, an Deck zu bleiben, aber sie war gegen ihren Willen fasziniert und sie wollte sehen, was passierte, sich nicht im Ungewissen unter Deck verkriechen. Dann gab Bess den Befehl zum Entern und mit Angriffsgeheul schwangen die Piraten los. Das war einer der kritischen Momente für den Einzelnen. Mehr als einmal war schon jemand ins Wasser oder gegen die Schiffswand gefallen. Und wenn man die gegnerische Seite erreicht hatte, stand man einen Moment unsicher auf den Beinen, was der Feind leicht ausnutzen konnte. Ramis konnte nicht sehen, ob alle heil drüben angekommen waren. Die Fate kam inzwischen unbeabsichtigt nahe an das brennende Handelsschiff, die beiden stießen krachend aneinander. Atemlos starrte Ramis zur Reling. Von drüben flog ihr eine Hitzewelle ins Gesicht. Doch plötzlich erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit: Eine Gestalt, die mühelos die Kluft zwischen den Schiffen überbrückte, die sich langsam voneinander entfernten. Ein Spanier! durchzuckte es Ramis eiskalt. Er hielt eine Fackel in der Hand. So laut sie konnte, schrie sie:
"Alarm! Alarm!"
Aber niemand hörte sie, alle schienen sie zu beschäftigt. Nicht einmal Edward war noch hinter ihr. Ramis bekam Angst. Der Kopf des Spaniers drehte sich in ihre Richtung. Ein Grinsen verzerrte sein Gesicht. Mit ein paar Schritten war er bei ihr. Er sagte etwas auf Spanisch, es klang gehässig.
"Hilfe!" , schrie Ramis.
Der Mann hielt einen Säbel in der Hand. Er hatte nichts mehr zu verlieren und er wollte andere mit sich in den Tod
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