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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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an all das Ungeziefer zu denken, welches das Kind haben musste. Wir hatten keine Badezuber an Bord und so musste ich ein leeres Fass nehmen, das in meinem alten Zimmer stand. Dann zog ich dem Geschöpf die Lumpen vom Leib und stellte es ins Wasser. Dagegen wehrte es sich überraschenderweise, ich war jedoch stärker. Ich übergoss es mit Wasser und holte meine Seife, die ich mir kürzlich gekauft hatte. Ich stellte mich reichlich unbeholfen an, als ich es abschrubbte. Dabei würgte es in meiner Kehle, vor allem die Geschwüre am Kopf waren ekelhaft.
    Das Kind entpuppte sich als Mädchen, nein als junge Frau! Sie war winzig und wirkte unterentwickelt. Ich konnte ihr Alter unmöglich bestimmen. Als ich fertig war, packte ich sie in meine Jacke. Sie war schrecklich mager, alle ihrer Knochen standen hervor. Ich gab ihr ein wenig zu essen, nicht viel, da ich gehört hatte, man müsse Ausgehungerten erst an die Nahrung gewöhnen. Sie zog sich damit in eine Ecke zurück und schlang es herunter. Ich ließ sie in dem kleinen Raum allein. In der Nacht verließen wir Bristol. Ich nahm die kindliche Frau mit. Es gibt sicher niemanden, der auf sie wartet und sich Sorgen macht. Ich kann sie unmöglich zurücklassen. Manchmal muss man eben auch über seinen Schatten hinwegspringen. Für mich bedeutet es ein paar Unannehmlichkeiten, für sie aber das Leben, das darf ich nicht vergessen. Ob es eine gute Idee von mir war, wird sich noch herausstellen.
     
    Karibik 1703, ein halbes Jahr später
    Mit Fanny - so habe ich die Kindfrau genannt - ist inzwischen eine merkwürdige Verwandlung vorgegangen. Sie ist binnen eines halben Jahres ein anderer Mensch geworden. Vielleicht hat er auch nur in ihr geschlafen. Sie hat die Vergangenheit einfach weggelegt wie ein altes Kleidungsstück und scheint alles vergessen zu haben. Ich bewundere sie für diese Fähigkeit. In ihr scheint eine Kraft zu sein, die mir fehlt. Sie legte dieses Unmenschliche ab und wurde zutraulicher. Die Sprache lernte sie rasch, nie spricht sie jedoch von der Vergangenheit. Sie meidet die anderen, sie spürt wohl ihre Ablehnung. Vor ihnen hat sie richtig Angst. Die Mannschaft, insbesondere Thomas, war überhaupt nicht begeistert, dass ich sie angeschleppt habe. Eine Frau reiche auch schon, beschwerten sie sich. Und für unnützen Ballast sei ohnehin kein Platz. Die Stimmung war denkbar schlecht. Sie standen nahe davor, zu rebellieren. Das zwang mich, die Initiative zu ergreifen und mich ihnen allen entgegenzustellen. Wie Bess es mir geraten hatte, zog ich mir einzelne heraus, die die Unruhestifter waren. Ich bedrohte sie mit meiner Pistole und sagte ihnen, wenn sie weiter widersprachen, würde ich sie erschießen.
    Später dankte ich Gott dafür, dass sie nachgegeben hatten. Ich hatte ziemliche Ängste ausgestanden. Doch zum ersten Mal hatte ich mich wirklich durchgesetzt.
    Ein weiteres Problem ist Edward und dieses ist geblieben. Er kann Fanny nicht ausstehen. Ich glaube fast, er ist eifersüchtig. Dabei hat er dazu gar keinen Grund. Keiner könnte ihm seinen Platz in meinem Herzen nehmen oder auch nur streitig machen. Einmal habe ich sogar gesehen, wie er sie gekniffen hat und dauernd sagt er gemeine Sachen über sie. Und das nur, weil ich für Fanny die einzige bin, die freundlich zu ihr ist. Sie sucht meine Nähe und das stört ihn. Auch ich habe Schwierigkeiten mit meiner neuen Rolle: Ich soll neuerdings allen Halt geben, anstatt welchen zu bekommen.
    Unsere Lage verschlechtert sich weiter. Nassau wurde von den Spaniern geplündert, hörten wir von anderen Piraten. Und jeder auf der Fate sah mich an und meinte: Tu etwas. Du musst entscheiden. Ich spiele mit dem Gedanken, mich der Kaperflotte anzuschließen. Bess hatte sich immer geweigert, doch allmählich wird es eng um uns herum. Unsere Arbeit würde dann geradezu legal, zumindest aus englischer Sicht und wir hätten eben die Einschränkung, nur noch feindliche Schiffe angreifen zu können. Es würde jedoch unsere Freiheit zunichtemachen. Solange es noch geht, zögere ich. Das ist nicht einmal mein einziges Problem. Einer der Männer hat starkes Fieber bekommen und ich fürchte, es könnte sich ausbreiten. Es gibt tausend Seuchen, die ein ganzes Schiff leeren können.
    Als wir kurz in Jamaika Halt machten, erzählte uns ein ehemaliger Pirat, dass sie alle Nassau verlassen hätten. Ich habe die Stadt weder gemocht, noch als besonders bekömmlich betrachtet, aber es ist ein schlechtes Zeichen für uns. In den

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