Dunkle Häfen - Band 1
Küstenstädten Amerikas schwindet unsere Unterstützung täglich. Keiner von uns bringt noch genug Beute mit, um als nützlich angesehen zu werden. Einer von Bess‘ alten Kapitänskumpanen teilte uns mit, er sei inzwischen auf Sklavenhandel umgestiegen.
"Ich habe mich trotz allem nicht soweit vergess en, für die Königin zu arbeiten", sagte er.
Ich weiß einfach keinen Ausweg. Vielleicht muss ich es auf mich nehmen und mich gegen Bess Wünsche stellen. Wir würden nicht mehr von der Royal Navy gejagt und bekämen eine Prämie für jede Prise. Ich schwanke ständig hin und her.
August 1703, Karibik
Unsere Mittel sind bereits wieder fast erschöpft. Wir mussten neue Männer anheuern, weil wir einige Mannschaftsmitglieder an ein tückisches Fieber verloren haben.
Alle haben schlecht e Laune. Fanny beunruhigt mich, weil sie mich für eine Heilige zu halten scheint. Dauernd will sie mir behilflich sein und gerät doch nur mit Edward in Streit. Oder besser gesagt, er beschimpft sie. Sie dagegen ist sehr zurückhaltend und macht nur den Mund auf, wenn es sein muss. Auch geht sie stets ohne Murren jeder Arbeit nach, die man ihr aufträgt. Ich beginne sie wirklich zu mögen. Sie schläft immer noch in dem kleinen Raum unter Deck. Edward würde sie nie in unserer Kajüte akzeptieren. Ich glaube, sie ist gewachsen, vielleicht scheint es mir auch nur so. Ihr Haar jedenfalls sieht viel besser aus. Es ist rot wie eine Flamme. Sie wird eine richtige kleine Persönlichkeit, doch ich wünschte, sie würde nicht ständig versuchen, mich zu bedienen. Das macht mich sehr verlegen.
Wir segeln aufs offene Meer hinaus, in Richtung Bermudas. Es ist die Route der Spanier. Ich hoffe, wir erwischen endlich wieder ein Handelsschiff. Wir hätten es dringend nötig. Der Hunger nagt in unseren Bäuchen und die Männer murren, weil ihnen der Rum ausgegangen ist. Die Zeit drängt.
Schuld
Der Wind strich James Fayford sanft über das Gesicht und versuchte, seine Perücke zu zerzausen. Er liebte diesen Seewind, auch wenn er alles salzig machte. Doch dieser Wind brachte eine Freiheit mit sich, von der in der stehenden Luft Londons und seinem Hof nichts zu spüren war. Das Leben am Hof und auf dem Gut seines Vaters war schnell langweilig geworden, der Gedanke daran schal.
Sein Vater, Earl of Fayford und großer Staatsmann, hatte aufs Heftigste protestiert, als sein ältester Sohn unbedingt zur Royal Navy wollte. Es war ja schön und gut, als junger Mensch seine Erfahrungen zu sammeln, aber als Erbe hatte er eben seine Pflichten. Doch er selbst, James, überließ das lieber seinem jüngeren Bruder, der die heimatlichen Güter wesentlich freudiger verwaltete als er. James hatte nicht vor, sich auf dem Land zu vergraben oder die Bahn zu begehen, die sein Vater ihm vorschreiben wollte. Der Lord hatte schon gedroht, James zu enterben, was er allerdings letztendlich unterlassen hatte. So stand James also jetzt hier, mit seinen zwanzig Jahren einer der jüngsten Kapitäne der Marine. Es war seine erste Fahrt mit eigenem Kommando. Diese Tatsache hatte er natürlich seinem Vater zu verdanken, der der Meinung war, wenn er schon so etwas tun musste, dann in einer hohen Position. Er hatte immer große Pläne mit seinem Sohn gehabt. Deshalb war der junge James auch mehr in London am Hofe aufgewachsen als bei seiner Mutter auf dem Familienbesitz an der Grenze zu Schottland. Sobald er alt genug war, begann er seine Ausbildung als Offizier der Royal Navy. Nun war er fertig.
Sein Auftrag war vergleichsweise einfach. Mit der Schnau, die den Namen Hawk trug, sollte er sich lediglich als Kurier betätigen und eine Botschaft in die amerikanischen Kolonien bringen. Dabei hatte man allen Kämpfen aus dem Weg zu gehen. Ein Sturm hatte die Hawk leicht beschädigt, so dass sie nicht ihre volle Geschwindigkeit erreichen konnte. Das machte James Gedanken, doch bald würde die Küste in Sicht kommen. Dort konnten sie das Schiff dann reparieren lassen.
Wenn er seine Botschaft übergeben hatte, würde er umgehend nach England zurücksegeln. Seine Verlobte wartete bereits auf ihn, sie wollten möglichst bald den Termin für die Hochzeit festmachen. Er hatte die junge Frau zwar kaum gesehen, aber in seinen Kreisen spielte es auch keine große Rolle. Die Heirat würde standesgemäß sein und ihm Vorteile einbringen. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, etwas anderes zu erwarten. Seine zukünftige Ehefrau hieß Elizabeth, war wohlerzogen und reich. Sie entstammte
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