Dunkle Häfen - Band 1
nicht wahr?"
"Woher...?"
Man hatte ihr mehrere Briefe gegeben, die man in seiner Kajüte gefunden hatte. Ramis hatte sich über die guten Ratschläge und die lieben Worte seiner Mutter gewundert. Wortlos legte sie die Briefe vor ihn hin. Er erkannte sie sofort und reagierte wütend.
"Wie kommt Ihr dazu, in meinen Sachen herumzuschnüffeln?" , fuhr er sie an.
Ramis starrte auf ihn herunter, das Licht einer Lampe spiegelte sich in ihren Augen.
"Es ist das Recht des Siegers."
"Ihr Piraten habt kein Recht, närrische Frau! Recht ist es, wenn ihr alle am Galgen baumelt!"
"Oh, schweigt besser! Ihr seid nicht in der Lage, große Reden zu schwingen!"
In James brodelte es vor Wut, deshalb konnte er jetzt nicht schweigen. Er achtete nicht weiter auf die unnatürlich geweiteten Pupillen der Frau.
"Wenn ich solchen Abschaum sehe, kann ich nicht anders! Welche anständige Frau würde zu den Piraten gehen?"
"Anständige Frau? Was versteht Ihr davon?"
Ramis bereute es, hierhergekommen zu sein. Sie wusste nicht einmal mehr genau, warum sie hier war. Ihr fiel auf, dass jemand Fayford den Justeaucorps weggenommen hatte. Er trug nur noch ein weißes Hemd aus edlem Stoff und seine Hose.
"Ich weiß, wie sich eine Frau zu benehmen hat."
"Ach ja und wie?"
Ramis stellte fest, dass sie zitterte und ihr Kopf war ganz heiß und wirr. Was hatte der Koch und Arzt ihr gegeben? Sie schluckte an einer Emotion, die sich nicht benennen konnte.
"Soll sie vielleicht für immer im Haus eingesperrt sein?"
"Ich staune, dass Ihr das schon einmal gehört habt. Soweit muss man gar nicht gehen. Bei einer anständigen Frau wäre das nicht nötig. Sie einzusperren, meine ich."
"Ihr habt nicht die geringste Ahnung von der Frau. Lasst mich mit Euren elenden Ansichten."
Ramis spürte, dass sie besser gehen sollte. Ihre Sinne waren dermaßen benebelt. Sie rührte sich nicht von der Stelle.
"Glaubt Ihr vielleicht auch, es gäbe nur eine Verwendung für die Frau?" , fragte sie feindselig in leisem Ton.
"Glaubt Ihr wirklich, Ihr seid den Männern weniger zu Diensten als andere Eures Geschlechts?"
Er traf eine sehr wunde Stelle. Ramis fuhr zurück, sie hielt sich die Hand vor Augen.
"Wie seid Ihr denn Kapitän geworden? Eine Frau führt einen Mann nur an seinem Schwanz!"
"Widerling!"
Beide schrien jetzt.
"Ihr habt nicht das Recht..."
"Ich habe alle Rechte, Ihr dagegen keine!"
"Oh ja, ich kenne Eure Rechte und Gesetze! Von wegen Schutz des Einzelnen, wie es auf dem Papier steht! Die einzigen, die herrschen, seid nach wie vor Ihr! Wenn Ihr anderen die Menschenwürde und die Achtung stehlt, interessiert es keinen von Euch! Wir sind nur Dreck am Boden, den die Mächtigen genüsslich zwischen ihren Fingern zermahlen! Sklaven, an denen Ihr Eure Perversionen auslasst! Aber wenn man einem von Euch etwas tut..."
Ramis kreischte diese letzten Worte.
James verstand nicht, was die Piratin eigentlich meinte, aber darauf kam es nicht mehr an.
"Du bist vollkommen wahnsinnig!"
Sie schlug ihm ins Gesicht.
"Hure!" , zischte er hasserfüllt und spuckte sie an.
"Nein! Ich bin keine Hure!"
Rasend vor Wut stürzte sie sich auf ihn. Er konnte sich nicht wehren, da er an Händen und Füßen gefesselt war. Sie kniete sich über ihn und hämmerte mit ihren Fäusten auf ihn ein.
"Weißt du, was er mit mir gemacht hat? Kannst du dir das vorstellen? Am Boden zu kriechen und..." Ihre Worte wurden unverständlich.
Die Piratin packte ihn am Kragen und schüttelte ihn wild. Ihre Augen waren unmenschlich. Plötzlich hielt sie ein Messer in der Hand.
Jetzt bringt sie mich um! schoss es ihm durch den Kopf. Wie demütigend, so zu sterben.
Aber der letzte Schmerz kam nicht. Stattdessen schlitzte sie sein Hemd von oben bis unten auf.
"Du hast kein Recht, so schöne Sachen zu tragen!" , krächzte sie. "Weg damit!"
Panisch musste er mit ansehen, wie sie seine Kleidung zerriss.
Mein Gott, diese Irre wird mich genauso zerstückeln! dachte er. Ich bin dieser Hexe vollkommen ausgeliefert!
Fein säuberlich entfernte sie jeden Fetzen Stoff. Als nichts mehr da war, hielt sie inne. Ihre Augen glitten über seinen nackten Körper. Sie glitzerten irr und waren starr.
"Stolz is t ein vergängliches Gut, Mylord", flüsterte die Frau. "Auf einmal so verletzlich..."
Sie lächelte und gerade dieses Lächeln jagte ihm Schauder über den Rücken. Ihr Atem ging rasend schnell.
"So, und jetzt schau mich an..."
Erschrocken sah er, wie sie sich selbst die Kleidung vom Leibe riss.
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