Dunkle Häfen - Band 1
Die Piratin musste besessen sein.
"Siehst du es nun?"
Er sah nichts, nur ihren nackten Körper, der im Licht matt glänzte.
"Do rt ist er, der Dreck! Abrücke von Händen, Schleim! Ich bin bis über mein Lebensende hinaus beschmutzt! Das verwehrt mir die Seligkeit! Verstehst du?"
Entsetzt schüttelte er den Kopf. Gott bewahre ihn vor dieser Irren! Und doch konnte er den Blick nicht von ihr wenden. Sie beugte sich ganz dicht zu ihm herunter, ihre Haare und Brüste streiften ihn, ihre Finger berührten ihn sachte. Ein grässliches Lachen entrang sich ihrer Kehle, als sie bemerkte, dass er gegen seinen Willen erregt wurde.
"Es gefällt dir?" Die Piratin kicherte. "Schöner, stolzer Lord..."
Er keuchte überrascht auf, als sie sich rittlings auf ihn setzte.
"Das gefällt dir doch?" , stöhnte sie immer wieder, während sie auf ihm ritt wie ein Reiter, wie bei einem absurden Tanz, der nie enden würde. "Ich weiß es!"
Er hörte sich selbst sie beschimpfen, ein raues Gestöhne. Hörte sie beide aufschreien. Er fiel aus der Zeit.
Wie ein Sack rutschte sie irgendwann von ihm herunter, taumelte auf den Boden und hockte dort erst einmal. Sie seufzte benommen und blickte ihn an. Wie aus heiterem Himmel riss sie plötzlich die Augen auf und begann zu heulen wie ein Schlosshund.
"Nein, nein, nein!" , jammerte sie.
Sie raffte sich auf und rannte wie von den Furien gehetzt aus dem Raum. Er blieb matt und gleichgültig zurück.
"Scher dich doch zum Teufel!" , zischte er.
Er wollte sie nie wieder sehen.
Fanny wurde durch seltsame Laute aufmerksam, die sich so anhörten, als würde jemand ersticken. Gerade noch war sie auf der Suche nach Ramis gewesen. Bei der Fressorgie hatte sie die andere Frau verloren. Wie alle anderen hatte Fanny sich erst einmal am Essen gütlich getan und es hatte ihr keine Sorgen bereitet, Ramis in dem Durcheinander nicht sehen zu können. Nur Edward hatte sie entdeckt und der sie. Er hatte sie bösartig gekniffen und eine Schlampe genannt. Ab diesem Moment machte sie sich Sorgen. Wenn Ramis nicht bei ihm war, dann tat sie irgendetwas Besonderes oder etwas stimmte nicht. Sie vermutete eher Letzteres, schon seit dem Kampf hatte sie eine große Unruhe bei Ramis festgestellt. Inzwischen war es auf der Fate still geworden, die Feiernden waren betrunken eingeschlafen.
Die Geräusche drangen hinter einer Gruppe von Fässern und Kisten hervor. Vorsichtig spähte Fanny um die Ecke. Sie erschrak zutiefst. Auf dem Boden schwamm eine Lache aus Erbrochenem und mitten drin kauerte Ramis, in eine schmuddelige Decke gehüllt. Ihr Haar war nass und ihre Schultern zuckten und bebten. Noch nie hatte Fanny sie so gesehen und es machte ihr Angst. Die andere Frau sah krank aus.
"Anne!" , rief sie sanft.
Als sie niederknien und schüchtern den Arm um Ramis legen wollte, entzog sich diese ihr. Es war zwecklos, etwas aus ihr herausbringen zu wollen. Sie stank. Es war nicht ihre Art, schmutzig zu sein, sie achtete darauf, sich immer zu waschen. Jetzt jedoch roch sie nach Schweiß und nach Körper.
"Darf ich dich waschen?" , fragte sie zaghaft.
Halb betäubt nickte Ramis. Sie schien durch Fanny hindurchzusehen. Fanny half ihr hoch. Dabei rutschte die Decke herunter und enthüllte den nackten Körper. Eilig zog Fanny sie ihr wieder über die Schultern, wie man jemanden schamhaft bedeckt, dem es selbst egal ist.
"Ich brin ge dich in deine Kajüte, Herrin", teilte Fanny ihr mit.
Zu ihrer Erleichterung war Edward nicht in der Kajüte. Sie setzte Ramis auf dem Bett ab und holte einige Eimer voll Wasser. Wortlos begann sie Ramis von Kopf bis Fuß zu waschen, dabei stellte sie keine Fragen. Das entsprach nicht ihrem Charakter. Nach einer Weile, die sie leblos dagesessen hatte, sagte Ramis:
"Du weißt es, nicht wahr?"
"Es tut mir leid, Herrin."
"Das braucht dir nicht leid zu tun. Und nenn mich nicht Herrin. Ich bin ein Scheusal."
Endlich fühlte sie all die klebrigen Körperauswürfe nicht mehr. Allerdings kannte sie den Schmutz nur zu gut, der nicht wegzuwaschen war. Auf einmal konnte sie nicht mehr an sich halten.
"Was habe ich nur getan?" Es war ein verzweifelter Aufschrei.
Ramis sprang auf und ein Eimer fiel um.
"Jetzt bin ich nicht mehr besser als er !"
Fanny zog sich in ein Eck zurück. So stellte sie sich ein Theaterstück vor, von denen sie nur gehört hatte. Der Schauspieler stand auf der Bühne und spielte sein Stück, war jedoch trotz seines Leides und seiner Seelenqualen für den Zuschauer
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