Dunkle Häfen - Band 1
Kleiderkiste gewesen war. Sie wusste nicht, dass es Ramis alter Hut war. Der Mann zog sich an und wartete. Fanny wies mit der Pistole zur Tür, ohne ihm in die Augen zu sehen. Mit der Pistole im Rücken ging er vor ihr her. Niemand sprach ein Wort, bis sie das kleine Boot erreichten.
"Setzt Euch hinein."
Stumm ließ er sich im Boot nieder. Fanny kappte die Seile und es klatschte ins Wasser. Ein einziges Mal blickte sie ihm noch in die Augen und sah das Gift darin, den sprießenden Hass. Mit kräftigen Ruderschlägen entfernte er sich.
Was auch immer es ist, was du so fürchtest, Anne, du hast es weitergegeben, sagte sie lautlos. Seine Seele wird von nun an schwarz sein.
Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, ihm einen Kompass mitzugeben.
Die Dunkelheit verschlang das Schiff rasch. James wünschte, die Hölle würde es für immer verschlucken. Verbissen ruderte er weiter und ließ keinen Gedanken durchdringen. Die Sonne ging auf, wie jeden Tag, doch es würde nie mehr so sein wie früher. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und all die schmachvollen Erinnerungen brachen über ihn herein. In ohnmächtigem Zorn schlug er auf das Holz ein. Den ersten Tag verbrachte er in stiller, brodelnder Wut, danach brüllte er Flüche und Beschimpfungen übers Wasser, schwor Rache. Irgendwann wurde er still, verfiel in tiefes Schweigen, es gab nichts mehr zu schreien. Die Einsamkeit um ihn herum war vollkommen, nicht einmal Fische oder Möwen ließen sich blicken. Der Hass wurde sein Begleiter und derjenige, der ihn weitertrieb.
Als James nach vielen Tagen kein Wasser und Essen mehr hatte, konnte er nur noch krächzen. Es machte nichts, er konnte ohnehin keinen Sinn mehr in Worten sehen. Die Zeit wurde zu einem sinnlosen Fluss, nur Sonnenaufgang und Sonnenuntergang stellten einen Unterschied darin dar. Die Sonne verbrannte unbarmherzig seine Haut, sie schmerzte und bildete Brandblasen. Nur der Hass hielt ihn in dieser Hölle am Leben. Er vergaß, wie es war, Mensch zu sein, nur seinen Hass vergaß er nicht. Seinen Wahnsinn begann er zu lieben. Er sah Bilder im Wasser, fremde Länder in der Ferne, die nur er sehen konnte. Einmal trieb eine junge Frau im Wasser, kalt und tot. Algen waberten in dem blonden Haar. Er stieß sie an und sie versank im Dunkeln des Meeres. Bald lag er nur noch im Bauch seines Bootes. Die Sonne ging auf und unter und quälte ihn mit ihrer Hitze. Die Nacht wurde sein Element, diese undurchdringliche Dunkelheit. Das Schiff, das nach dieser Ewigkeit, in der Zeit keine Rolle mehr spielte, auftauchte, kam aus einer anderen Welt. Als er es antippte, verschwand es nicht. Er spürte kaum, wie sie ihn hochzogen, alles war taub. Das Wasser schmerzte nur in seiner ausgedörrten Kehle. Die Stimmen zerstörten die Stille, die ihn umgeben hatte. Hände zerrten ihn ins Dunkel, Augen beugten sich über ihn. Menschliche Augen, erinnerte er sich. Die Augen hoben seine Hand an und betrachteten den Ring daran.
"Fayford… ", verstand er.
E s hatte etwas mit ihm zu tun. James antwortete den Augen nicht. Er wollte etwas anderes sagen, doch seine Zunge versagte den Dienst.
"Habt Ihr etwas gesagt, Herr?"
Aber der aus dem Wasser Gefischte starrte nur mit glühenden Augen an ihm vorbei.
Mein Gott, dachte der Kapitän des Schiffes, er ist verrückt geworden. Ich werde seinem Vater mitteilen müssen, dass Meer und Sonne seinem Sohn die Sinne verwirrt haben.
"Die Strafe wird schrecklich sein", sagte der junge Fayford.
Logbuch
Oktober 1703, Atlantik
In letzter Zeit habe ich wieder angefangen zu beten. Lange Zeit glaubte ich, ich hätte nicht das Recht dazu und dass mir ohnehin niemand helfen würde. Doch gerade jetzt erinnerte ich mich an die Zeit, als Martha mich in die Kirche mitnahm. Damals bedeutete es mir nicht viel, ich war ein Kind und schien von allem, was die anderen taten, ausgeschlossen zu sein. Ich hatte nicht vergessen, dass meine kindlichen Gebete nicht gehört worden waren. Nun sehe ich, dass mir trotz des Leids, das ich ertrage, auch stets etwas sehr Wertvolles geblieben ist und sei es auch nur die Erinnerung daran, geliebt worden zu sein. Und auch jetzt, wo ich in diesen Abgrund gestürzt bin, habe ich noch meine Aufgaben und meine Freunde. Die Wirrnis, die mich lange befallen hatte, hat ihren Griff gelockert. Ich erinnerte mich an die Worte, die in der Kirche widergehallt waren. Worte von Vergebung. Ich kniete mich nieder und faltete die Hände.
"Vergib mir ", flüsterte ich mit geschlossenen
Weitere Kostenlose Bücher