Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
Vom Netzwerk:
Menschen, den man nicht mag, ungestraft etwas auf den Kopf fallen lassen. Die Vorstellung eines hässlichen Häufchens auf einer teuren Perücke erheitert mich. Was bin ich doch wieder albern! Und dennoch mag ich die Vorstellung, ein Vogel zu sein, immer noch. Zwar reise ich nun auf dem Meer umher, habe mehr gesehen, als ich es mir jemals erträumt hätte, aber ich werde niemals Indien sehen, wo es gewaltige graue Tiere gibt, auf denen man reiten kann und die Elefanten heißen. Ich habe die kleinen Figürchen in Maple House gesehen. Und ich werde nie den afrikanischen Kontinent betreten, auf dem tausend unterschiedliche Kulturen gelebt haben und leben. Ich hörte von unvorstellbar großen Pyramiden aus Stein und von Palästen, die einem den Atem rauben. Wie gerne wäre ich mit Liam und Edward durch die grünen Wiesen Irlands gestreift, auf der Suche nach seinen Elfen und Fabelwesen.
    Das alles werde ich nie mit eigenen Augen sehen können. Nun ja, es ist dumm von mir, mitten auf dem Meer Fernweh zu bekommen. Auch hier sehe ich jeden Tag neue Wunder und neue Inseln. Doch ich habe nie die Zeit, sie zu erkunden.
    Jetzt bin ich schon wieder in Schwermut versunken, dieser Krankheit, die mich selbst am schönsten Tag verfolgt. Vielleicht waren es die toten Seelen, die mich berührt haben. Ewig fliegen sie über das Wasser hinweg. Wie sie wohl von oben aussieht, diese blaue Fläche? Kann man die ständig wechselnden Farben von dort noch besser erkennen? Fanny behauptet, meine Augen seien wie das Meer, ihre Farbe immer unterschiedlich. Ich finde, sie sind einfach von einem hellen Blaugrau oder von einem dunklen Blaugrau. Oder sie sind leer und spiegeln einfach die Farbe des Meeres wieder, wie ein Spiegel. Die Farbe des Meeres jedenfalls drückt seine Laune aus. Diese gewaltigen Mengen an Wasser werden sich niemals beherrschen lassen, sie können sich jederzeit gegen den Menschen wenden.
    Dennoch gehe ich derzeit davon aus , dass wir die kleine Inselgruppe ohne Zwischenfälle erreichen, das Wetter wirkt beständig. Wir sind jetzt im Niemandsland, hier gibt es nur kleine Inseln, die man nicht für besiedelnswert hält und kein Schiff nimmt diese Route. Es gibt hier heimtückische Strömungen und Untiefen, das haben wir bald festgestellt. Die Fate liegt zum Glück nicht tief im Wasser. Das wäre für ein Piratenschiff katastrophal, da es in niedrigen Buchten ankern und sich dort verstecken muss, wo die schweren Kriegsschiffe nicht hinkommen.
    Ein Windstoß fegt mir beinahe das Buch aus der Hand. Inzwischen hat sich Edward zu den Männern gesellt und beteiligt sich an dem Wettbewerb. Ich würde ihn gerne da wegholen, weil ich es für ekelhaft halte, aber ich schätze, es würde die Männer sehr kränken, sie würden sich herabgesetzt fühlen. Ich wundere mich ohnehin schon, wie selbstverständlich sie es hinnehmen, zwei Frauen und zwei Kinder an Bord zu haben. Dabei ist es ein gängiges Vorurteil, dass Frauen auf Schiffen Unglück brächten. Das erscheint mir immer ein wenig seltsam, zumal auch die Galionsfigur meist die Gestalt einer Frau hat. Jedenfalls haben sie William inzwischen als eine Art vaterloses Kind anzusehen gelernt und aufgehört, in mir eine Frau zu sehen, die jeder haben kann. Manchmal scheint es sogar so, als sei William das Kind der ganzen Mannschaft, gerade deshalb, weil er keinen Vater hat. Ich habe ihn selten für mich allein, jeder scheint einen Anspruch auf ihn erheben zu wollen. Manche Männer nehmen ihn doch tatsächlich ungeschickt auf den Arm und freuen sich über das glucksende Baby. William hat überhaupt keine Angst vor den rohen Männern. Wie es wohl ist, zwischen Piraten und als einer von ihnen aufzuwachsen? Ich frage mich auch, ob es seinen wirklichen Vater kümmern würde, dass er einen Sohn hat. Ich schätze zwar eher nicht, jemand seiner Art wird in seinem Leben zahlreiche uneheliche Kinder haben, die ihn nicht interessieren. Trotzdem kann ich mir diese Frage vor mir selbst nicht verkneifen.
     
    August 1705, Karibik
    In der größten Mittagshitze dieses Tages kamen die Inseln in Sicht. Laut Karte war die größte Insel die gesuchte. Sie bestand aus zwei hohen Bergen, die dicht bewaldet waren. Es musste sich um erloschene Vulkane handeln. Wir gingen in einer geeigneten Bucht vor Anker, die uns auch vor den Blicken zufällig vorbeifahrender Schiffe schützen sollte. Das Wasser in der Bucht war glasklar und der Strand weiß. Bewundernd beugte ich mich über die Reling und starrte auf die

Weitere Kostenlose Bücher