Dunkle Häfen - Band 1
herrlichen Korallenriffe unter uns, zwischen denen bunte Fische herumschwammen. Aus dem Wald hörten wir die Stimmen der Vögel. Wir sicherten die Fate und die Beiboote, dann schlugen wir unser Lager auf. Heute würden wir keinesfalls mehr losgehen, die Berge sahen hoch und steil aus. So verbrachten wir den Rest des Tages mit kurzen Erkundungen der näheren Umgebung und richteten uns ein. Die Insel schien wie erwartet unbewohnt.
Gegen Abend planten wir den genauen Aufstieg. Wir saßen in einem Ruß geschwärzten Zelt, während der Urwald um uns herum laut war. Das Licht flackerte wild, während die Männer gutgelaunt ihre Krüge mit Rum herumschwenkten. Vorräte und Ausrüstung für den nächsten Tag wurden hergerichtet. Dann legten sich alle schlafen, wir wollten morgen frisch und munter sein. Es ist jedoch schwer zu schlafen, wenn man so aufgeregt ist. Ich bin noch wach und gehe in Gedanken ein letztes Mal alles durch. Haben wir auch nichts vergessen? Die fremden Geräusche lenken mich dauernd ab. Um uns ist nur Wildnis. Weshalb schreckt mich der Gedanke plötzlich? Habe ich sie der Zivilisation nicht immer vorgezogen? Doch das war in einem anderen Land. Hier ist sie fremd und gefährlich. Es gibt hier Schlangen, deren Bisse tödlich sind und die in unseren Betten lauern können. Wir müssen uns vor ihnen in Acht nehmen.
Nächster Tag, Insel
Ich hätte mich besser in Acht nehmen sollen. Eine andere Art von Schlange, auf die ich nicht gefasst gewesen bin, hat mich gebissen und nun bin ich zum Tode verurteilt. Ich schreibe, um nicht ständig an das Schreckliche denken zu müssen, was passiert ist.
Doch ich sollte von vorne beginnen. Guten Mutes und mit genug Proviant ausgerüstet zogen wir los, als es noch dunkel war. So sehr es auch schmerzte, ich hatte William beim Schiff lassen müssen. Er wäre uns nur eine Last gewesen, außerdem war es gefährlich und anstrengend im Urwald für so ein Kleinkind. Da er inzwischen weitgehend entwöhnt war, konnte man ihn in meiner Abwesenheit problemlos mit weicher Nahrung füttern. Fanny würde bei ihm bleiben, denn ich als Kapitän hatte meine Pflichten. Ich musste schlucken, als ich mich von ihm verabschiedete. Er quietschte freudig und lachte mich mit seinen blauen Augen an und ahnte nichts. Ich hoffte, er würde nicht weinen, wenn ich nicht da war. Mit einem leisen Stich fragte ich mich, ob er mich überhaupt vermissen würde. Vielleicht war ihm Fanny lieber, da ich doch so wenig Zeit für ihn hatte. Ach, das war doch blanker Unsinn. William war mein Kind und keiner konnte die Bindung zwischen Mutter und Kind durchtrennen. Als ich mich von ihm losgerissen hatte, machten wir uns in einer langen Reihe auf den Weg.
Ganz vorne stapfte Thomas mit einer Machete, hinter ihm ging ich mit der Karte. Edward folgte mir mit seinen schlaksigen Beinen, die viel zu lang schienen, dann der Rest der Männer, die ich mitgenommen hatte. Wir schlugen uns einen schmalen Pfad durch den dichten Dschungel. Bald wurde der Boden uneben und es ging immer steiler bergauf. Alle waren bereits nach kurzer Zeit schweißüberströmt, die Kleidung begann scheußlich am Körper zu kleben. Feuchte Strähnen fielen mir ständig ins Gesicht und auch die Moskitos ließen nicht lange auf sich warten. Innerhalb weniger Stunden hatte jeder von uns unzählige juckende Stiche an Armen und Beinen. Allmählich mussten wir öfter Pausen einlegen, die schwüle und feuchte Luft forderte ihren Tribut. Zu allem Übel konnten wir kaum Kleidung ablegen, die Gefahr durch Schlangen und noch mehr Moskitostiche war viel zu groß. Gegen Mittag legten wir eine längere Pause ein. Die Sonne brannte auf das dichte Blätterdach und die Luft hier unten erhitzte sich weiter. Aus dem Boden waberte verdunstende Feuchtigkeit und hüllte uns in Dampf. Gierig nahm ich einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche. Es kostete mich einige Beherrschung, nicht alles auszutrinken. Zwar gab es Wasser in reichlichen Mengen, doch wir hüteten uns davor, aus den schlammigen Tümpeln zu trinken, deren Farbe ins Grünliche reichte. In ihnen lauerten tausend verschiedenen Krankheiten. Die Tropen sind allgemein ungesund für uns Europäer und ich machte mir auf dem ganzen Weg Sorgen um Williams Gesundheit. Auch unter den besten Umständen starben Kinder so schnell dahin. Es gab kaum eine kinderreiche Familie, in der nicht wenigstens ein oder mehrere Kinder starben, egal, ob arm oder reich. Und wenn bei den Piraten schon die Erwachsenen in Massen an
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