Dunkle Häfen - Band 1
stellte sich dann auch als der Gesuchte heraus. Seltsamerweise wollte er nur mit Edward alleine sprechen. Edward - der sich grundsätzlich überschätzt - ging natürlich ohne Bedenken mit ihm. Er schien nicht zu glauben, dass der Kerl ihn angreifen könne. Das hatte ich auch gedacht! Und kurz darauf war ich die Gefangene von Fayford gewesen.
Der Mann sah zwar recht suspekt aus, mit einem langen Bart, der ganz ergraut war, aber das gehörte sich eben für einen so geheimnisvollen Mann. Er sagte nicht viel, erkundigte sich nur noch einmal, ob sie wegen des Schatzes da wären, dann überreichte er Edward die Karte. Natürlich ließ der Mann sich das auch bezahlen, alles andere wäre mir erneut sehr seltsam vorgekommen.
"Er hat auch gesagt, ich würde einmal ein großer Pirat werden", fügte Edward an.
"Woher will er das denn wissen? Edward, glaub solchen Leute nicht alles. Wenn ich ehrlich bin, ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache. Warum hat nicht vor uns längst jemand die Karte gekauft?"
"Sei doch nicht immer so misstrauisch. Wenn er gelogen hat, so schadet es uns bis auf ein paar verlorene Münzen nicht. Und meinst du nicht, dass man mir ansieht, was für ein Pirat ich sein werde?"
"So ungepflegt wie du aussiehst, wäre das kein Wunder. Jeder Pirat kann nur neidisch sein auf deine Mähne!"
"Du sorgst schon dafür, dass ich aussehe wie ein geschniegelter Geck! Bald werden sie mich in ihre Schlösser einladen!"
"In die Verlegenheit wirst du bestimmt nie kommen. Sie würden bei deinem piratischen Anblick alle fliehen! Und niemand würde dich in die Nähe seiner Wertsachen lassen."
Als ich lachte, meldeten sich meine Wunden wieder. Ich beruhigte mich schnell wieder, als Edward seinen Bericht, etwas säuerlich über meine Respektlosigkeit, abschloss.
"Das war's eigentlich schon. Wir kehrten dann zurück. Da war dein Trupp schon da, ohne dich. Sie sagten, sie hätten dich im Gewühl verloren. Als du immer noch nicht da warst, als es dunkel wurde, sind wir wieder los, um dich zu suchen. Jetzt erzähl du."
Es war mir höchst unangenehm. Wie konnte ich ihm auch von Fayford erzählen? Es schmerzte mich, stets nur einen Teil der Wahrheit sagen zu können, es machte mich zur Lügnerin. Auch jetzt blieb ich dabei, dass Soldaten mich gefunden und festgenommen hatten. Zu meinem Glück konnte ich entkommen. Ich ließ die schreckliche und beängstigende Episode in Fayfords Zimmer und sein Verhalten aus.
Es fällt mir schwer, Worte für dieses Treffen zu finden, ich kann die Gefühle, die unter der Oberfläche toben, nicht bestimmen. Mein Bericht wurde von William unterbrochen, der wieder zu heulen anfing. Ich wollte schon aufstehen, da kam Edward mir zuvor.
"Du bist krank ", befahl er. "Bleib liegen."
Eher erleichtert gab ich nach. Es war auch eine Erheiterung, Edward Windeln wickeln zu sehen. Er stellte sich dabei denkbar ungeschickt an, wie es nur jemand kann, der ganz andere Interessen als Kleinkinder hat. Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, am Anfang konnte ich es auch nicht besser. Schließlich brachte mir Edward den frisch gewickelten William, dessen Windel ein einziges Durcheinander war. Der Kleine gluckste und starrte mich aus seinen Augen an, deren Farbe mich leider sehr an die von Fayford erinnerte, wie ich wieder feststellen musste. Vielleicht werde ich auf die Probe gestellt, indem meine geliebten Kinder den beiden Männern ähneln, die ich am meisten - ja, habe ich denn das Recht, Fayford zu hassen?
"Hast du dir schon mal überlegt, was für einen Sinn das Leben hat?"
Es war eine dumme Frage gegenüber einem Kind, nur bedachte ich das zu spät. Edward dachte schon darüber nach.
"Nein, eigentlich nicht. Ich denke immer nur bis zum nächsten Tag. Die Huren sagten immer, sie könnten es nicht ertragen, wenn sie anfingen, nachzudenken."
Er grinste freudlos und ich war erstaunt über seine Antwort, die sich nicht nach einem Kind anhörte. Zu mir hatten die Frauen Ähnliches gesagt. Sie mochten recht haben.
"Es gab eine Zeit, da war ich ohne Ziel", begann ich leise mit geschlossenen Augen. "Ich dachte gar nichts, ich war leer. Es gab keinen Sinn in meiner Existenz. Eine Frau, die wie eine Mutter zu mir war, war mein einziger Halt im Leben. Ich musste sie verlassen, weil ich einen Mann getötet habe."
Ich schluckte heftig an Gefühlen, die mich wieder einholten.
"Ich habe ihn in seinem Zimmer erstochen. Mit seinem eigenen Dolch." Er war dein Vater . Ich sagte es nicht.
"Er hatte es gewiss
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