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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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dass dies nur eine vorübergehende Lösung sein kann. Und wenn Madame bemerkt, dass ich dich hier eingeschmuggelt habe, schmeißt sie mich raus. Du kannst nicht erwarten, dass ich mich für dich opfere."
    "Das heißt, du wirfst also mich aus dem Haus?"
    Ramis wippte leicht hin und her. Sie verbarg ihre Enttäuschung hinter einer Maske der Gleichgültigkeit, die sie nun schon so gut beherrschte. Obwohl sie wusste, dass sie kein Recht dazu hatte, fühlte sie sich von Lettice verraten. Hätte es nicht so sein sollen, dass sie zusammenhielten, wegen ihrer kurzen gemeinsamen Vergangenheit? Schließlich hatte Lettice ihr die Schlafmütze geschenkt und Ramis hatte das als eine verbindende Geste betrachtet. Sie fand es gemein, dass Lettice ihr so unbarmherzig ins Gesicht schleuderte, wie wenig Ramis ihr doch bedeutete. Dabei wünschte Ramis sich jemanden, dem sie vertrauen konnte und der sich der Sache annahm, ihr Leben gestaltete, so wie Martha es bisher immer getan hatte. Bis jetzt waren ihr alle Entscheidungen abgenommen worden, sogar als sie den Mord begangen hatte. Und nun sollte sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen, auf ihren eigenen Füßen stehen. Es schien unmöglich ohne jemand en, der sie stützte.
    "Nein, das meine ich nicht ", erwiderte Lettice inzwischen. "Natürlich steht es dir frei zu gehen, aber du kannst genauso gut hier bleiben. Dann musst du allerdings arbeiten. Du bist nicht hässlich, ich denke, Madame würde dich nehmen. Es gibt Männer, die mögen solche wie dich. Irgendwie hast du ja auch was Besonderes an dir, ich kann nur nicht sagen, was."
    Während sie das sagte, war Ramis heftig aufgesprungen.
    " Das bietest du mir an? Niemals, sage ich! Lieber lasse ich mich auf die Straße setzen und verhungere! Wie kannst du das von mir verlangen? Niemals werde ich das tun, verstehst du?"
    Lettice lachte bitter.
    "Glaubst du, da draußen geht es dir besser? Du bist eine arme Närrin! Was meinst du, was ein betrunkener Kerl auf dem Weg zum Bordell macht, wenn er ein Mädchen wie dich alleine und schutzlos sieht? Er denkt sich, wozu bezahlen, wenn’s auch kostenlos geht! Und niemand erlegt ihm Schranken auf, wie er dich zu behandeln hat! Soll ich etwas über die kleine Straßenhure erzählen, die sie vor einer Woche gefunden haben? Jeden Tag stand sie vor den Spelunken, bis die Besitzer sie weggejagt haben. Eine Stunde später stand sie dann wieder da. Jung war sie, ein Kind noch. Und weißt du, wie sie aussah, als sie sie fanden?"
    "Ich will es nicht wissen!" , schrie Ramis und hielt sich die Ohren zu.
    Aber Lettice zog ihr einfach die Hände herunter.
    "Es war keine heile Stelle mehr an ihr! Man hätte glauben können, jemand wollte sie zu Mus verarbeiten. Das arme Ding ist kurz darauf gestorben. Willst du etwa so enden? Gewalt ist dort an der Tagesordnung und es ist ein wahres Glück, wenn du deinen dreißigsten Geburtstag erreichst! Du solltest dir überlegen, was du sagst! Ganz sicher ist das hier die bessere Wahl!"
    Ramis unterdrückte ein Wimmern und krächzte:
    "Nicht nur auf der Straße gibt es Gewalt. Die Dunkelheit macht auch vor den Häusern der Reichen nicht halt! Meinst du, das Mädchen hätte weitergemacht mit dieser Arbeit , wenn sie überlebt hätte? Denkst du nicht, sie wollte danach nur noch sterben?"
    Lettice starrte sie an.
    "Wovon redest du eigentlich?"
    "Kein Wort mehr davon! Ich rede doch irre! Nichts, aber auch gar nichts ist passiert! Es war nur die Sache mit dem Mädchen, die mich so mitgenommen hat."
    Ramis ahnte, wie bleich ihr Gesicht aussehen musste, mit kaltem Schweiß bedeckt. Das arme kleine Mädchen. Was für ein düsteres und elendes Leben es geführt haben musste. Nicht einen einzigen Freund mochte es gehabt haben, der sich um es gesorgt hatte und nun trauerte. Nicht einmal nach einem so schrecklichen Tod erntete die Arme echte Anteilnahme. Die, die es indirekt betraf, ihre ehemaligen Kolleginnen, waren wohl schockiert, aber es ging ihnen nicht richtig zu Herzen. Deshalb würden sie auch für Ramis kaum mehr als einen mitleidigen Blick haben.
    "Ich kann nicht so leben, wie du es mir anbietest, egal, was auf der Straße passiert. Es wäre mein Ende."
    "Was denkst du dir eigentlich?" , brauste Lettice plötzlich auf. "Du bist egoistisch! Uns anderen macht es ganz sicher auch keinen Spaß, aber wir erheben nicht den Anspruch darauf, dass jemand uns versorgt! Das kann man nämlich auch nicht erwarten! Aber du, du schwelgst geradezu in deinem Selbstmitleid und erwartest dann

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