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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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setzte sich hin.
    "So, jetzt erzähl mal." forderte sie Ramis auf.
    Ramis schluckte und wand sich innerlich. Die Erinnerung war dort zu einem dicken Klumpen geworden, der ihre Kehle verstopfte. Ganz vorsichtig und stockend berichtete sie von den Ereignissen, die seither passiert waren. Sie rang verzweifelt nach Worten, die ihr oft einfach fehlten. Von Sir Edward war sie jedoch nicht fähig zu berichten. Lettice hörte ihr sichtlich berührt zu, die von einer dunklen Verzweiflung durchdrungenen Worte entfalteten ihre eigene Kraft und sprachen für sich selbst, erzählten auch einiges, was Ramis verschwieg. Als sie Sir Edwards Tod erwähnte, log sie und behauptete, sie sei nur zufällig in sein Zimmer gekommen und hätte die Leiche gesehen. Dann sei jemand hereingestürzt und habe sie verdächtigt, ihn ermordet zu haben. Daraufhin musste sie fliehen und gelangte hierher.
    Nachdem sie geendet hatte, schwieg Lettice betroffen.
    "Er ist tot?" , fragte sie und Ramis erkannte, dass sie richtig daran getan hatte, Lettice nichts von ihrem Anteil an seinem Tod zu sagen. "Hat man den Schuldigen gefasst?"
    Ramis schüttelte stumm den Kopf und rieb sich die Arme, als wäre ihr kalt.
    "Ich bin doch geflohen. Das kann ich nicht wissen."
    Lettice stand auf und schlurfte zur Tür. An ihren hängenden Schultern erkannte Ramis, dass sie traurig war. Eine Welle der Abscheu erfasste Ramis. Wie konnte man um ihn trauern? An der Tür schaute Lettice sich noch einmal um.
    "Er hat dich mit in sein Bett genommen, nicht wahr?"
    Ramis erstarrte.
    "Nein!" Ihr Aufschrei hörte sich mehr an wie ein Jaulen. "Nein, niemals!"
    Sie versteckte den Kopf unter den Bettdecken wie ein Kind, das die Welt draußen ausschließen wollte. Erst als sie sicher sein konnte, dass Lettice gegangen war, wagte sie sich hervor. Sie atmete ein paar Mal tief durch und beruhigte sich dadurch allmählich wieder. Das sie auch immer so aus der Fassung geraten musste. Gerade noch hatte sie geglaubt, hier Abstand zu ihrer Vergangenheit nehmen zu können. Das war wohl nur eine Illusion gewesen.
    "Ich bin verloren ", flüsterte sie sich selbst zu. "Mir kann niemand mehr helfen."
    Sie wusste um die beruhigende Wirkung von Selbstgesprächen, die eigene Stimme zu hören war besser als die Stille, wenn keiner da war. Und so redete sie leise besänftigend auf sich ein, während sie sich daran machte, das Zimmer aufzuräumen. Auch körperliche Arbeit lenkte ein Stück weit ab. Bald kam Lettice wieder herein. Sie hatte einen Teller mit Suppe dabei, den sie Ramis überreichte.
    "Danke ", murmelte diese rau, als ihr der Geruch in die Nase stieg. "Darf ich?"
    Ramis stellte den Teller auf einer Kommode ab, ohne auf eine Antwort zu warten und begann gierig, die Suppe zu löffeln.
     
    Sie muss halb ausgehungert gewesen sein, dachte Lettice. Das schlotternde Hemd verbarg den dürren Leib, aber knochige Hände ragten daraus hervor. Lettice wunderte sich nicht, dass Ramis eine Fehlgeburt gehabt hatte, wie diese in ihrer Erzählung kurz erwähnt hatte. Sie schien viel zu zerbrechlich, um diesen Belastungen standzuhalten, obwohl Lettice irgendwie den Eindruck hatte, sie sei in Wirklichkeit zäh wie altes Leder. Als Ramis davon gesprochen hatte, war eine Gemütsbewegung an ihr gewesen, die sie kaum hatte zügeln können. Lettice schloss daraus, dass Ramis sehr an dem Kind gehangen hatte, was sie nicht ganz verstand. Für sie selbst waren Kinder eher ein lästige Plage, die nur Arbeit machte. Edward war das beste Beispiel dafür. Dankte der Junge ihr sein Leben und ihre Pflege? Nein, er ärgerte sie, wo er nur konnte.
     
    Sie ahnte nicht, dass Ramis ihr eigenes Leben an ihr Baby geknüpft hatte und dass die Bindung so fest gewesen war, dass Ramis sich kaum davon lösen konnte. Als sie mit der Suppe fertig war, leckte sie sogar noch den Boden aus. Ein wohltuendes Gefühl der Wärme breitete sich in ihr aus. Recht zufrieden sah sie wieder Lettice an. Diese schien noch etwas auf dem Herzen zu haben. Sie rückte auch bald damit heraus.
    "Ich muss dir etwas sagen, Ramis."
    Ramis nickte und setzte sich wieder auf die Kiste, wobei sie ihre Knie anzog und sie mit den Armen umschlang. Sie suchte kurz Lettice Augen, nur um sie einen Moment später wieder loszulassen. Sie hatte irgendwie einen unsteten Blick, fand Lettice.
    "Vielleicht weißt du schon, wie wenig Geld ich übrig habe. Es reicht kaum für Edward und mich. Ich kann unmöglich auch für dich sorgen. Ich hätte es dir gestern schon sagen sollen,

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