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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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sollte. Unruhig machte sie sich auf den Weg und irrte durch die Gassen. Aber anscheinend gab es doch noch jemand en, der an sie dachte, denn bald darauf hörte sie Rufe hinter sich. Erstaunt erkannte sie Edward, Lettice kleinen Sohn.
    "Warum bist du weggegangen?" , fragte er atemlos, als er vor ihr stand. "Du hast mir versprochen, bei mir zu bleiben!"
    "Ich habe dir gar nichts versprochen, weil das nicht von mir abhängt. Ich kann nicht bei euch bleiben, deine Mutter will mich nicht bei sich haben."
    "Pah, Mutter ist nur verbittert. Aber jetzt tut es ihr leid und sie will mit dir reden. Deshalb soll ich dich holen."
    Ramis merkte, dass auch ihr Zorn auf Lettice verraucht war. In ihr wuchs Verständnis für die andere. Sie waren beide verbitterte Frauen, die das Leben enttäuscht hatte.
    "Also gut, ich werde mit dir kommen. Aber nur, wenn Lettice es auch wirklich ernst meint."
    "Natürlich."
    Der Junge grinste so spitzbübisch, dass Ramis arge Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage hatte. Trotzdem folgte sie ihm, war sie doch erleichtert, überhaupt wieder ein Ziel zu haben. Nachher stellte sich auch heraus, dass Lettice nichts dergleichen gesagt hatte. Edward holte sie aus dem Goldenen Drachen und brachte sie zu Ramis, die neben der Tür wartete. Als Lettice sie erblickte, wollte sie sofort wieder hineingehen, aber Edward hielt sie fest.
    "Mutter, Ramis will dir was sagen."
    "So, was denn?" Lettice drehte sich wieder um und nahm Ramis in Augenschein.
    Diese zögerte, weil sie nicht wusste, was sie nun sagen sollte. Dann kam ihr der Entschluss von vorhin wieder in den Sinn.
    "Ich habe mir überlegt, was ich arbeiten kann", teilte sie mit.
    "Ach, und was?" Lettice klang skeptisch.
    Ramis überlegte eine Weile, wie sie es am besten formulieren sollte.
    "Ich will Schreiberin werden ", fasste sie sich schließlich kurz. "Ich kann mich an den Hafen setzen und für Leute Briefe schreiben, die es nicht selbst können, für Matrosen zum Beispiel, die ihren Familien eine Nachricht schicken wollen."
    "Entschuldi ge, dass ich vorher vergaß, dass du in höheren Künsten bewandert bist als unsereins und deshalb was Besseres bist. Verzeih mir die Respektlosigkeit, dass ich gewagt habe, dir ein so unverschämtes Angebot zu machen", meinte Lettice bissig.
    Ramis streckte in einer ärgerlichen Geste die Hand aus.
    "Ich wünschte, du würdest darüber nachdenken, anstatt mich sofort anzugreifen. Schau, du müsstest mich nicht ernähren und ich würde dir gar nicht zur Last fallen. Es ist zwar nur ein Hungerlohn, aber es reicht zum Leben."
    Zumindest hoffe ich das , dachte Ramis sich im Geheimen. Vielleicht verdiene ich auch gar nichts. Ein Versuch ist es aber auf jeden Fall wert .
    Das sagte sie Lettice auch.
    "Du kannst dabei gar nichts verlieren."
    "Na, ich weiß nicht ... Aber eigentlich ist ja auch deine Sache. Ich weiß nur nicht, ob Madame dich im Haus wohnen lässt. Ihr werden die paar Reste deines Verdienstes nicht genug sein."
    "Aber ich wohne doch nur im Dachboden, zusammen mit Edward! Ich esse nicht ihr Essen und mache auch sonst keinerlei Umstände."
    Lettice lächelte mitleidig.
    "Sie wird versuchen, so viel rauszuholen wie möglich. Ihr wird sofort klar werden, wie verzweifelt du eine Bleibe suchst."
    "Wenn sie nicht darauf eingeht, bekommt sie eben gar nichts. So einfach ist das. Ich werde es auf jeden Fall nicht unversucht lassen. Da bleibt nur noch die Frage, ob du mir hilfst."
    Mit einem tiefen Seufzen winkte Lettice sie zu sich.
    "Na gut, komm mit. Sagen wir Madame vorerst nichts. Du solltest abwarten, wie es läuft. Vor Madame steht man besser mit vollendeten Tatsachen."
    Ramis verschwieg, dass sie sowieso keine andere Wahl hatte, egal wie gut sie verdiente. Unruhig dachte sie über die bevorstehende Konfrontation mit der Frau nach, die man Madame nannte. Offensichtlich schien sie eine sehr gierige und harte Frau zu sein. Es war schwer, eine Strategie zu ersinnen, wenn man den Feind nicht kannte. Dass diese Frau ihr Feind sein würde, stand für Ramis schon im Voraus fest.
     
    Lettice gelang wieder das Kunststück, sie unbemerkt ins Haus zu schmuggeln. Die Dunkelheit senkte sich bereits über die Stadt und umklammerte Mensch und Tier mit ihren schwarzen Armen. Lettice ließ Ramis bald allein in der Dachkammer zurück. Als es ganz dunkel geworden war, kehrte Edward zurück. Er hatte einen halben Leib harten Brotes bei sich, den er nach einigem Überlegen gnädig mit ihr teilte. Ramis erzählte ihm von ihren

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