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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Schutz bot. Wie sie so saß, fühlte sie sich sofort sicherer und sie stand auch nicht mehr ständig im Weg. Sie hasste es, dauernd angerempelt zu werden. Nach einigem Zögern breitete sie ihre Schreibutensilien vor sich aus und behielt sie scharf im Auge. Sie wollte sich nicht noch einmal ihr e Sachen stehlen lassen. Stunde um Stunde hockte sie herum, aber niemand kam. Immer schwerer lag der Kloß der Verzweiflung in ihrem Hals und schnürte ihn zu. Ihre stummen Gebete schienen nichts zu nützen, so wie sie ihr auch sonst nie genützt hatten. Als man sie vergewaltigt hatte, war auch keiner gekommen, um sie zu retten, so sehr sie auch jede Macht des Himmels angefleht hatte, es zu tun. Heute Abend brauchte sie Geld um jeden Preis, wenn sie nicht in das Dunkel der Gosse hinaus gestoßen werden wollte. Ihre Hoffnung, dass noch jemand kommen würde, schwand gänzlich. Vielleicht wollten sie zu keiner Frau gehen, um sich etwas schreiben zu lassen, oder sie war einfach zu unprofessionell. Außerdem fiel ihr ein höchst umfassendes Hindernis ein. Die Familien der Matrosen, auf die sie gehofft hatte, konnten sicher ebenfalls nicht lesen. Deshalb schickte man ihnen sicher gar nicht erst einen Brief.
    Weil ihr kalt wurde, wickelte Ramis sich enger in ihr riesiges Hemd. Dabei streifte ihr Hand etwas Festes. Natürlich war es ihr Amulett, dessen Anwesenheit sie oft vergaß, weil es eben immer da war. Seufzend starrte sie es an. Inzwischen waren die Ränder schon ein wenig abgeschabt. In der Hoffnung, dort Trost zu finden, umschloss sie es fest mit der Hand. Oft hatte es ihr schon psychisch geholfen. Sie schloss die Augen, wie bei einer Beschwörung. Dadurch bemerkte sie den Mann, der vor sie getreten war, erst, als er sie ansprach.
    "Hey Mädchen, was sitzt du denn hier? Kein Wunder, dass deine Geschäfte so schlecht laufen."
    "Was?!" Ramis riss die Augen auf.
    Sie bekam einen gewaltigen Schreck. Einem Moment lang glaubte sie, man habe ihre Bitten erhört und einen Engel gesandt, so verrückt das auch klang. Aber der Mann sah nicht unbedingt aus wie ein Engel. Er war recht rundlich, mit feuerroten Haaren und Bart. Er hatte einen breiten Mund, der sich jetzt freundlich verzogen hatte. Instinktiv wusste sie, dass er ihr nichts Böses wollte.
    "Wenn du dich hier weiter so versteckst, wird nie jemand kommen."
    Verblüfft blickte sie zu ihm auf. Vielleicht war er ja doch ein Engel.
    "Woher wisst Ihr...?"
    "Du bist ja trotz deines Platzes nicht unsichtbar. Ich habe dich beobachtet. Ich muss sagen, es ist ungewöhnlich, dass ein Mädchen wie du versucht, ein Schreiberstand aufzumachen. Das hat mich interessiert. Du bist neu hier, oder?"
    Sie nickte beklommen. Dennoch mochte sie den Mann auf Anhieb. Sein Englisch hatte einen ungewöhnlichen Akzent, der ihr seltsam schön in den Ohren klang.
    "Ich habe mir gedacht, ich könnte dir ein bisschen bei dem Aufbau helfen", meinte er jetzt. "Siehst du, da hinten ist mein Stand. Es ist eine gute Lage. Ich brauche aber nicht allen Platz. Du könntest dich mit deinem Zeug an den Rand setzen. Ich würde auch kein Geld von dir verlangen."
    "Oh..." , machte Ramis überrascht. "Das..." Er musste ein Engel sein. "Aber warum wollt Ihr das tun?"
    Er lächelte, so dass Grübchen in seinen Wangen entstanden.
    "Sagen wir, ich mag dich. Und du siehst aus, als hättest du seit Wochen nichts mehr zu Essen gehabt. Warum sollte ich dir nicht helfen, wo es mich doch gar nichts kostet?"
    Ein seltenes Lächeln erhellte nun auch ihr Gesicht.
    "Danke."
    Wieder wusste sie nicht, wie sich angemessen bedanken sollte. In solchen Situationen fehlten ihr einfach die Worte.
    "Dank nicht mir, danke Gott, dass er dich hierher geführt hat."
    Glücklich sandte Ramis Worte des Danks zum Himmel. Wirklich, sie hatte Grund dazu. Heute schien man sich ihrer wieder erinnert zu haben. Erst Edwards Gaben und nun dieser Engel in Menschengestalt. Vielleicht hatte sich ihr Schicksal doch zum Guten gewendet. Vielleicht, weil Sir Edward nicht mehr da war. Sicher hatte seine teuflische Macht sie eingehüllt gehabt und sie nun freigegeben.
    "Kommst du nun mit?"
    Ramis nickte eifrig und raffte ihre Sachen zusammen. Sie fühlte sich wie ein unbeschwertes Kind, das zu einem Abenteuer aufbricht. Der Mann gab ihr einen kleinen Tisch und zwei Holzschemel, so dass sie sich neben dem Stand niederlassen konnte. Wenn es jetzt regnete, konnte sie nicht einmal mehr nass werden. Ihr Retter stellte sich inzwischen als Liam vor. Er verkaufte hier in

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