Dunkle Häfen - Band 2
jetzt, Majestät! Wir sind da."
Ich öffnete vorsichtig die Tür. Eine kleine Lampe erhellte den Raum ein wenig. Außer meiner Tochter war niemand darin. Lautlos näherten wir uns dem Bett. Charlotte nuckelte im Schlaf am Daumen und ihr Anblick gab mir wieder ein Stich ins Herz - ich weiß nicht, warum. Sie schien so weit von mir entfernt in ihrer Welt der Träume.
"Sie ist ein glückliches Kind ", meinte Louis mit gedämpfter Stimme. "Ihre Eltern lieben sie."
Er hatte ja schon sehr früh seine jungen Eltern verloren und litt offensichtlich darunter. Ich wusste auch, dass man ihn viel zu früh von seiner Ersatzmutter, der Herzogin de Ventadour , weggenommen hatte.
"Aber ist das denn genug?" , flüsterte ich zurück. "Wenn sie älter wird, wird sie mit den Schmutzgeschichten in Berührung kommen, die man über die De Sourges erzählt. Wird sie denn die Tochter von 'la folle' sein wollen?"
"Sie wäre dumm, wenn sie es nicht sein wollte."
Andächtig schwiegen wir daraufhin eine Weile. Irgendwann schaute Louis mich wieder an.
"Ich habe einen bestimmten Grund, weshalb ich heute Abend hierhergekommen bin."
Etwas in seiner Stimme ließ mich aufhorchen. Seine Hände zuckten und wanden sich ineinander.
"Madame, ich muss Euch endlich gestehen, was ich für Euch fühle. Als Ihr mir damals in Versailles begegnet seid, hatte ich gewünscht, Ihr könntet meine Mutter sein. Ich war so einsam. Inzwischen hat sich vieles geändert. Ich kann Euch kaum die Empfindungen beschreiben, die mich packen, sobald ich nur an Euch denke. Ich möchte Euch immer bei mir haben, sonst scheint die Zeit wertlos und doch bin ich wie im Fieber, wenn Ihr dann vor mir steht. Eure Anmut und Eure Klugheit heben Euch von allen anderen Frauen ab. Sagt Ihr mir, bin ich krank oder in Euch verliebt? Ich kannte die Liebe bis jetzt nicht."
Ich war wirklich erschrocken. Da stand er vor mir, der König von Frankreich, ein kleiner Junge noch und gestand mir, der Außenseiterin, mit pompösen Worten seine Liebe. Ich war mir nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte. Lachen über seine Altklugheit und Weinen, weil er mich an Edward erinnerte, dem es ähnlich gegangen war. Was war ich nur für eine Frau? Was war so verderbt an mir, das die ewig kindliche Liebe zu einer Mutter in so etwas verwandelte? Edward, so fürchte ich, habe ich erdrückt mit meiner Liebe, so dass er kein anderes weibliches Wesen mehr sehen konnte, als er in das Alter kam. Aber Louis?
"Sire, Euer Geständnis ehrt mich, doch es kann unmöglich Liebe sein. Ihr seid noch so jung und seht mich an: Ich werde bald vierzig. Es kann nicht mehr als eine kurze Schwärmerei sein. Wollt Ihr nicht viel eher eine Freundin?"
Ich lächelte gegen meinen Willen traurig.
"Ihr seht in mir etwas Besonderes, aber ich bin gar nicht so anders als die anderen. Ich kann mich nur nicht an die Sitten hier anpassen, Fehler habe ich trotzdem wie alle."
Louis machte eine ärgerliche Handbewegung.
"Tut nicht so, als wäre ich auf ein kurzes Techtelmechtel aus!" Dabei errötete er leicht über seine kühnen Worte, die irgendwie auswendig gelernt klangen. "Ich bringe Euch viel mehr entgegen, als mein Urgroßvater jeder seiner Geliebten. Ich wäre bereit, Euch zur Göttin zu erheben. Ich würde Euch die Welt zu Füßen legen!" Er blickte mich beinahe trotzig an. "Ja, und ich würde Euch auch zu meiner Königin machen!"
Mir stockte der Atem. War er denn verrückt geworden? Nicht einmal der Sonnenkönig hatte es gewagt, seine Madame de Maintenon, die Bürgerliche, offiziell zur Königin zu krönen.
"Das kann nicht Euer Ernst sein! Ganz zu schweigen von dem anderen, ich bin verheiratet!" , setzte ich matt hinzu.
"Es ist aber mein voller Ernst, Madame. Doch ich will Euch nicht so bedrängen. Verzeiht meinen Ausbruch, ich habe mich hinreißen lassen. Angesichts Eurer Schönheit kann ich mich nicht beherrschen. Tut mir für heute nur diesen Gefallen: Lasst mich Eure Augen sehen! Sie unter diesem Schleier zu versteckt zu wissen, ist wie dicke, graue Wolken am Himmel. Und wir alle lieben den strahlend blauen Himmel."
Er hatte die Schmeichelei schon in die Wiege gelegt bekommen und beherrschte sie inzwischen perfekt, wenn ich auch inzwischen wirklich argwöhnte, dass er sich seine Worte bereits vorher zurechtgelegt hatte. Verbunden mit seinem kindlichen Charme, waren sie jedoch einfach unwiderstehlich. Dennoch durfte ich mich nicht erweichen lassen, es wäre Selbstmord gewesen.
"Das geht nicht, Sire. Mein Gesicht ist
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