Dunkle Häfen - Band 2
weitere Komplimente, während wir sie zum Salon führten. Ich spürte ihre neugierigen Blicke auf mir, schließlich war ich 'la folle', die sich auf einmal so verändert hatte. Aber ihre bewundernden Ausrufe angesichts meines Salons taten in der Seele gut. Man hatte das Gefühl, in eine fremde Welt zu kommen, das Licht war gedämpft und ließ alles noch ein wenig geheimnisvoller wirken. Eine Süße hing in der Luft, die einen fast benommen machte. Bis alle Nachzügler eingetroffen waren, sahen sich die Gäste um und inspizierten den Raum und seine Einrichtung. Die bemalten Fächer, die alle Damen ausnahmslos in den behandschuhten Händen trugen, wedelten wild hin und her. Als sich jedoch alle an den Tisch setzten, fiel mir ein leerer Platz neben mir auf. Offensichtlich fehlte noch jemand. Doch wir konnten nicht länger warten, die Augen der Leute glänzten bereits vor Hunger.
Der Sitzplan sah vor, dass Guillaume und ich an den beiden Tafelenden saßen, dazwischen waren die Paare möglichst kommunikativ und produktiv angeordnet. Noch war die Stimmung ein wenig verhalten, aber ich konnte förmlich riechen, wie sie die Aussicht auf einen aufregenden Abend erregte. Mein Mann erhob sich, um eine witzige Rede zu halten, die auch mit Gelächter kommentiert wurde. Er hatte sie zwei Tage zuvor verfasst und mir vorgelesen.
Auf mein Zeichen hin trugen die Bediensteten die silbernen Platten herein. Gabeln klirrten, als sie in Stellung gebracht wurden, Füße scharrten gierig. Sogar mein von Unruhe strapazierter Magen meldete Appetit an angesichts dieser Berge von Köstlichkeiten. Hungrig wie Wölfe fielen die Gäste mit zierlichem Gehabe über die Vorspeise her, die ihnen auf die Teller gelegt wurde. Verzücktes Augenrollen bestätigte die Kunstfertigkeit unserer Köche. Ich zwinkerte Guillaume zu, als mein Nachbar mich fragte, wo ich denn diesen Koch herhabe, der das Paradies auf Erden schaffen könne. Es lief sehr gut an. Die Atmosphäre wurde allmählich ausgelassener und alle plauderten angeregt. Ich verwickelte den Herrn neben mir in ein unverfängliches Gespräch, was ihn anfangs sichtlich erstaunte, weil keiner geglaubt hätte, dass man mit mir eine vernünftige Unterhaltung führen konnte. Erst als Guillaume den gesamten Tisch mit einbezog, beendeten wir unsere Plauderei. Zu dem Thema - es hatte wie üblich mit Klatsch zu tun - konnte ich wenig beitragen und so schwieg ich, während eine Marquise vergnügliche Anekdoten zum Besten gab. Schallendes Gelächter zeigte mir, dass sich die Gäste prächtig amüsierten. Inmitten dieses Lärms merkte ich, dass sich Henriette näherte. Ich winkte ihr, näher zutreten, konnte das, was sie mir ins Ohr flüsterte, jedoch erst nach einigem Wiederholen verstehen.
"Madame, in der Halle wartet ein neuer Gast."
Ich nickte und stand auf.
"Wenn Ihr mich kurz entschuldigt, ich muss einen Neuankömmling begrüßen."
Guillaume blieb faul sitzen und grinste mich nur an. Ich schritt in die Eingangshalle, wo man dem Gast soeben den Mantel abnahm. Die aufrechte Haltung und die auffallende Gestalt jagten mir sofort einen Schauer über den Rücken. Einen Moment machte ich wirklich Anstalten, mich umzudrehen und zu fliehen, aber er entdeckte mich, ehe ich mich rühren konnte. Das Korsett war plötzlich viel zu eng und ich schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft. Er beachtete meine Erstarrung überhaupt nicht und trat lächelnd auf mich zu. Fall nicht in Ohnmacht! beschwor ich mich. Jetzt nicht, sonst ist alles aus! Ich fluchte im Stillen auf mich und auf Guillaume. Warum habe ich nicht daran gedacht, dass auch die Möglichkeit bestehen würde, dass Fayford kommen würde? Ich war vollkommen aus der Fassung. Dennoch fand ich ein paar Worte und brachte sie zu einem Satz zusammen:
"Willkommen, Monsieur de Fayford."
"Na, wenn das nicht die reizende Dame in Schwarz ist, die nicht mit mir sprechen will! Ihr erinnert Euch an mich, welche Ehre. Wie freundlich von Euch, mich in Euer Haus einzuladen."
Wenn es nach mir gegangen wäre, hättet Ihr eher eine Einladung vom Teufel in die Hölle bekommen, zürnte ich insgeheim.
"Euch kann man schwerlich vergessen."
Ja, Fayford wäre einer der letzten, die ich vergessen könnte. Mir fiel ein, was eine der Hofdamen den anderen vor einer Weile zugetuschelt hatte:
"Es heißt, seine Frau habe sich vor einiger Zeit aus dem Fenster gestürzt. Offiziell soll es ein Unfall gewesen sein. Manche bezeichneten es gar als Mord. Man sagt auch, sie sei sehr
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