Dunkle Häfen - Band 2
hässlich, entstellt. Ich kann das keinem antun."
"Für mich seid Ihr niemals hässlich, niemals. Und nun tut bitte, was ich Euch gesagt habe, oder muss ich erst meine Wachen holen, damit ich Euer Antlitz sehen kann?"
Ich konnte nicht genau sagen, ob er es als Scherz gemeint hatte, aber auf jeden Fall würde er nicht so schnell aufgeben. Hastig ließ ich mir einige Möglichkeiten durch den Kopf gehen und beschloss dann, ihm soweit zu vertrauen. Ich denke nicht, dass er mich verrät. Welchen Grund hätte er denn auch schon? Langsam löste ich den Schleier und ließ ihn auf die Schultern gleiten. Louis kam näher, um mich besser sehen zu können. Seine Augen wurden groß vor Erstaunen.
"Eure Narben sind ja gar nicht echt!" , rief er aus. "Ihr habt mich angelogen!"
"Lasst mich das erklären! Ich wollte Euch nicht täuschen, doch ich hatte Angst. Vielleicht bin ich wirklich verrückt. Aber bevor ich diesen Schleier trug, hielt mich eine scheußliche Furcht in den Klauen, die mich lähmte. Ständig glaubte ich, jemanden aus meiner Vergangenheit zu sehen, auch wenn er längst tot war. Ich lebte in der Angst, jemand wolle mich ermorden. Manchmal war ich nahe d aran, den Verstand zu verlieren", erzählte ich leise. "Ich wagte mich kaum noch an den Hof. Und als dieser Engländer kam, geriet ich einfach in Panik. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, ob ich ihn oder er mich kannte. Ich wollte nur noch weg, bis ich die Idee mit dem Schleier hatte. Auch als mir klargeworden ist, dass zumindest ich ihn nie gesehen habe, wollte ich den Schleier nicht mehr ablegen. Noch immer könnte jemand kommen und mich töten..."
Louis Ausdruck wurde nachdenklich. Ich fragte mich schon, ob es ein Fehler gewesen war, Fayford ins Spiel zu bringen, aber schließlich nickte er und akzeptierte meine Geschichte.
"Ihr müsst Höllenqualen gelitten haben. Doch Ihr müsst Euch nicht fürchten. Ich werde Euch beschützen, soweit es in meiner Macht steht. Darf ich Euch die Hand küssen?"
Die rührende Bitte brachte mich dazu, ihm meine Hand zu überlassen. Er machte auch einer Weile keine Anstalten, sie aufzugeben, bis ich sie ihm vorsichtig entzog. Ich hatte Charlottes Augen im Lichtschein blitzen sehen, sie war also wach. Jetzt stellte sie sich schnell schlafend. Wie lange hatte sie denn schon zugehört?
Abrupt sagte ich: "Sire, ich darf meine Gäste nicht so lange alleine lassen."
"Natürlich Madame, gehen wir hinunter."
Ich befestigte meinen Schleier, während er tief durchatmete. Die anderen hoben die Köpfe, sobald wir den Salon betraten. Es war, als käme man in eine Lasterhöhle. Dieser Gedanke jedenfalls war es, der mir als allererstes durch den Kopf schoss. Ob ihnen wohl Louis erhitztes Gesicht auffiel? Wilde Schauer jagten meinen Rücken herunter. Fayford schien ganz in ein Gespräch mit Guillaume vertieft und hatte uns nur kurz beim Eintreten angesehen. Meine Verkleidung erfüllte offensichtlich ihren Zweck, deshalb fühlte ich mich für den Rest des Festes sicherer. Als unsere Gäste nach und nach aufbrachen, hatten sie noch immer prächtige Laune und waren äußerst aufgedreht. Ganz bestimmt war für viele Paare oder Abenteurer die Nacht noch lange nicht zu Ende. Ich für meinen Teil war sehr erleichtert, sie verschwinden zu sehen.
Fayford meinte zum Abschied lediglich lakonisch: "Es war ein sehr aufschlussreicher Abend. Ich bedanke mich noch einmal für die Einladung."
Dann waren sie alle weg, samt König und seinen Wächtern. Nur eine Menge Dreck und zerknüllte Servietten sind zurückgeblieben. Für die Küchengehilfen wird es eine Menge Arbeit geben, bis sie schlafen gehen können. Wenn sie all die Töpfe stehen lassen, werden sie morgen nicht mehr zu säubern sein. Guillaume und ich dagegen konnten uns endlich nach oben verziehen. Wir waren müde, aber zufrieden. Guillaume drückte mir einen Schmatzer auf die Wange, wobei er Schwierigkeiten mit dem Schleier bekam.
"Ihr wart einfach wunderbar, ma chère. Vielen Dank für den gelungenen Abend, der ohne Eure Mithilfe und vor allem Eure Anwesenheit niemals so glänzend gewesen wäre."
Er erwähnte das Auftauchen des Königs nicht, obwohl es ihn beschäftigen musste.
Zu schlafen scheint jedoch trotz meiner Erschöpfung unmöglich. Ich kann nicht aus meinem Kopf verbannen, was Louis zu mir gesagt hat und was mein Herz schneller schlagen lässt:
Ich würde Euch die Welt zu Füßen legen.
Hexenblut
In der nächsten Zeit vergaß Ramis diese s Versprechen erst einmal
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