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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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seine Äußerungen waren verletzend gewesen. Und er wollte nicht glauben, dass ihre Freundschaft wirklich zu Ende war. Hatte ihr tatsächlich seit jeher so wenig an ihm gelegen oder hatte die Macht ihre Sinne verwirrt? Er war nahe daran, in Tränen auszubrechen. Es war nicht möglich, dass er sie für immer verloren hatte, einfach unvorstellbar...
    "Was bedrückt Euch denn?"
    Aus seinen Gedanken gerissen, drehte er sich erschrocken zu der Stimme mit dem englischen Akzent um. Lord Fayford trat wie zufällig neben ihn. Wie immer sah er blendend aus, stellte der Marquis mit einigem Verdruss fest.
    "Ach nichts ", murmelte er finster.
    "So seht Ihr aber nicht aus, Monsieur."
    "Mir wäre es recht, wenn Ihr Eure englische Nase nicht überall reinstecken würdet! Es geht Euch überhaupt nichts an!"
    Der Marquis wollte gehen, aber der Lord hielt ihn auf und legte ihm seinen Arm um die Schulter. Seine Nähe beunruhigte den Marquis sichtlich.
    "Hat Euch etwa Eure teure Angebetete im Stich gelassen, trotz Eurer leidenschaftlichen Verteidigung? Das tut mir sehr, sehr leid. Aber wer gibt sich schon mit weniger zufrieden, wenn man die Gunst eines Königs besitzen kann?" Die Verachtung war unüberhörbar, ebenso die Abneigung.
    Er hatte Ramis oft mit dem Lord streiten sehen, manchmal schien es, als legten sie es darauf an. Es wollte ihm nicht gefallen, die beiden so oft zusammen zu sehen, selbst wenn es so aussah, als hassten sie sich. Nur mühsam bewahrte er seine Beherrschung.
    "Ihr habt gelauscht, ihr elender Mistkerl! Wie viel glaubt Ihr, könnt Ihr Euch eigentlich erlauben?"
    "Nun, Euer Geschrei war den ganzen Gang entlang zu hören, es ließ sich gar nicht vermeiden, jedes Wort mitzubekommen. Aber wenn Ihr mich fragt, Ihr hättet Euer Schätzchen nicht so vor den Kopf stoßen sollen. Sie ist fast so reizbar wie Ihr."
    Seine Ratschläge waren bloßer Hohn und der Marquis ärgerte sich maßlos darüber.
    "Ich kann wohl nicht erwarten, dass ein Engländer etwas von Gefühlen versteht!" Mit diesen Worten riss er sich los und stampfte wütend davon, weg vom Saal mit seinen vielen Leuten.
     
    Fayford folgte ihm nicht. Merkwürdigerweise fühlte er Ärger in sich aufsteigen. Nein, das war es nicht wert. Als er an seine Tasche kam, spürte er die Ausbuchtung darin. Nachdenklich holte er die kleine Dose hervor. Das Schmuckstück darin hatte er bei einem ahnungslosen Händler gefunden, der keine Ahnung von seinem Wert hatte. Es war ihm sofort aufgefallen, wie es dort zwischen dem billigen Schund lag. Ein Geschenk, wie es sich jede Frau wünschen würde, doch voller Ungereimtheiten. Er hatte daran gedacht, es der Comtesse zu schenken. Mit ihrem schönen Körper und ihrer scharfen Zunge war sie eine ausgezeichnete Begleiterin. Aber etwas fehlte. Sie roch nicht nach Meer und Sonne, wie sie ...
     
    Ramis war in der Nacht kaum noch wahrzunehmen, die Dunkelheit verschluckte sie beinahe. Sie stand allein inmitten des finsteren Gartens und ihr war bitterkalt. Aus den hellerleuchteten Fenstern drang Stimmengewirr und Musik nach draußen. Sie wischte sich verstohlen die letzten Tränen von den Wangen und fühlte sich ausgeschlossen, als hätte man sie verstoßen. Es war eine bewölkte Nacht, matt schimmerte der Mond hier und da durch eine Lücke in der dicken Decke. Ramis setzte sich auf eine verschnörkelte Bank und lockerte ihren Schleier. Vor ihr stand einer der Springbrunnen, jetzt im Winter leer und still, von einer Schicht Schnee bedeckt. Wenigstens hatte es aufgehört zu schneien. Dennoch leuchtete das Weiß um sie herum gespenstisch. Sie holte ihr Amulett hervor und betrachtete es zum tausendsten Male, als könnte es ihr irgendeinen Aufschluss darüber geben, was sie nun machen sollte. Seine Oberfläche war inzwischen recht abgeschabt und die Schriftzeichen darauf kaum noch zu lesen. Schon oft hatte sie die Lederschnur ausgetauscht, seit sie auf dem alten Karren nach London gekommen war. Es lag so vertraut in ihrer Hand, als wäre es ein Teil von ihr. Sie achtete darauf, dass es nie kalt wurde, nicht kalt wie ihre Eltern...
    Sie bemerkte den Mann nicht, bis er dicht vor ihr stand. Wie ein Geist tauchte er aus der Dunkelheit auf. In einem ersten Impuls riss sie sich den Schleier vors Gesicht und versteckte ihren Schatz wieder in ihrem Gewand.
    Sie wusste nicht, dass er bereits einen kurzen Blick auf ihr Gesicht erhascht hatte und glaubte, es zu kennen. Im kalten Mondlicht wirkte es alterslos, die dunklen Narben warfen merkwürdige

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