Dunkle Häfen - Band 2
ging eine Kraft aus, die ihren Blick magisch anzog und sie hypnotisierte. Sie merkte gar nicht, dass sie schwitzte und kalte Bäche ihren Rücken herunter rannen. In der Nachtluft wurden sie schnell kalt. Sobald er sich näherte, durchlief sie ein Beben, und erst als er sich abwandte, brach er den Bann. Ramis war gelähmt vor Scham, bis sie sich energisch zur Ordnung rief. Es reichte allmählich. Sie hatte oft genug inneren Aufruhr unterdrücken müssen, um nun auch das zu meistern. Obwohl oft die Grenze erreicht schien.
Wi e als Ramis auf der Suche nach ihrem Mann zwei Männer belauschte, die sich flüsternd im Gang unterhielten.
"Diese Frau muss eine Hexe sein!" , zischte einer.
Sie redeten über sie.
"Erst der Marquis d'Agny, dann sogar der König und nun anscheinend der Engländer. Er kann ja seine Augen kaum von ihr lassen, wie Zeus bei Io, die er in eine Kuh verwandelt hat."
"Ihr habt recht. Bald rennt ihr der ganze Hof nach. Warum auch immer. Ich sage Euch, diese Frau wird zur Gefahr!"
Sie wurden von einer Gruppe Damen unterbrochen, die vorüberkam und die Männer mit sich nahm. Ramis blieb mit klopfendem Herzen zurück. Ihre Gedanken flogen durcheinander und ihr Gleichgewicht war dahin.
Gab es denn keinen Ausweg aus diesem Wahn?
Ramis wusste selbst nicht, welcher Teufel sie ritt, als sie ein paar Tage später an Fayfords Tür klopfte. Ich spreche ja nur mit ihm, beruhigte sie sich. Das ist doch ganz normal.
Das sagen sie alle. Und dann wird doch mehr daraus.
Wer hatte das gesagt? Aber sie wollte ihm nur mitteilen, dass sie ihn nie wieder sehen wolle und diese Verrücktheit beenden müsse. Doch als der Diener fortging, um die Dame seinem Herrn zu melden, floh sie einfach, ließ nur einen Zettel zurück:
Renn weg,
vor dem Hass,
den du in dir trägst.
Renn weg
bevor er dich innerlich
zerfrisst
bevor deine Seele stirbt.
Schließlich machte Ramis doch den schweren Schritt und entschuldigte sich beim Marquis für ihr Verhalten. Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr verzieh, aber er tat es und noch mehr, er gab zu, nie daran geglaubt zu haben, dass ihre Freundschaft zu Ende gewesen sein könnte. Ramis schniefte vor Erleichterung. Sie hatte ihren Freund schrecklich vermisst. Fest zog sie ihn in die Arme und wollte ihn nie wieder loslassen. Ihr war, als wäre ihr ein Schleier von den Augen gefallen, der ihren wirklichen Zustand verborgen hatte. Sie hatte nicht gewusst, wie sie sehr sie unter der Isolation hatte.
Irgendwann machte der Marquis sich vorsichtig los und erkundigte sich nach Ramis Befinden.
"Ihr seht abgespannt aus in letzter Zeit. Eure Unruhe ist allgegenwärtig. Was ist los mit Euch?"
Sie konnte ihm nicht in Augen sehen. War es denn tatsächlich so offensichtlich?
"Es ist nur... nein, es ist nicht nur. Wisst Ihr, seit ich so viel Einfluss errungen habe, ist alles so kompliziert. Ich kann nicht mehr meine Hand vor Augen sehen. Jeder hat Erwartungen in mich und dieser Druck macht mich fertig."
Er nahm zweifelnd ihre Hand.
"Ist das auch alles? So läuft es nicht erst seit kurzem. Anne, ich frage nicht gern, denn es bricht mir das Herz, aber ist da mehr zwischen Euch und diesem verfluchten Engländer? Verdammt, denkt Ihr, ich habe nicht gemerkt, wie er Euch ansieht? Und Ihr erinnert mich an ein hypnotisiertes Kaninchen, das wegrennen will, es jedoch nicht kann. Sagt mir bitte, dass das alles nicht wahr ist und ich mich getäuscht habe!"
"Seid nicht albern!" , widersprach sie heftig. "Da ist nichts! Ich fürchte nur, dass er mich erkennen könnte, das ist alles! Es ist nur vernünftig, wenn man seinen Feind im Auge behält!" Sie sagte das im Brustton tiefster Überzeugung, so dass sie es fast selbst glaubte.
"Seid Ihr sicher, dass Ihr Euch nicht nur etwas vormacht?"
Sie schüttelte wild den Kopf. Niemals, niemals konnte sie diesem Menschen etwas anderes als Abscheu und Hass entgegenbringen.
"Passt dennoch auf, dass Ihr nicht in etwas hineingeratet, aus dem es keinen Ausweg mehr gibt. Ich bitte Euch um meinetwillen, aber vor allem um Euretwillen."
Die Worte klangen Ramis den ganzen Rückweg in den Ohren. Er hatte recht. Doch dafür war es schon zu spät. Es war bereits zu spät gewesen, als sie ihn damals auf der Fate nicht getötet hatte, seit sie ihre Beherrschung verloren hatte, war auch sie selbst verloren gewesen. Es gab keinen Ausweg mehr, sie hatte sich alle Fluchtwege zugeschüttet. Hatte sich jemals einer gründlicher selbst zugrunde gerichtet als sie? Sie
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