Dunkle Häfen - Band 2
denn?"
Sie musste sich geistesgegenwärtig verdrückt haben, bevor man alle festgenommen hatte. Die Comtesse kicherte schrill und ihre weißen Schultern bebten.
"Was ich will? Euch, meine Liebe. Euren Kopf, der über das Pflaster rollt und Euer Blut, das an die Wände spritzt!"
Ihr Parfüm war aus der Nähe überwältigend und betäubte Ramis Sinne. Sie öffnete den Mund.
"Ihr könnt mir gar nichts tun! Jeder weiß, dass ich hier bin!"
"Aber Ihr werdet gar nicht erst lebend hier rauskommen! Bis man Euch vermisst, ist alles vorbei!"
Aus den Augenwinkeln sah Ramis die Gestalten, die sich aus den Schatten lösten. Sie trat der Comtesse mit dem Absatz kräftig gegen das Schienbein. Diese kreischte auf und ließ los. Die Herzogin rannte los, stolperte über ihren Saum und fing sich wieder. Draußen traf sie auf den Regenten, der sich gerade anschickte, in seine Kutsche zu steigen. Er war der Letzte, sonst waren alle fort.
"Wartet!" , schrie Ramis. "Dort drinnen wollte man mich gerade umbringen!"
Er musterte sie nur gelangweilt.
"Ach ja? Und das soll ich Euch glauben? Wenn man Euch hätte töten wollen, warum seid Ihr dann hier? Versucht nicht, mich für dumm zu verkaufen!"
Damit knallte er die Tür zu und fuhr von dannen. Ramis verschlug es den Atem über diese Dreistigkeit. Zum Glück war wenigstens ihre Kutsche noch da. Mademoiselle de Mincourt, die Ramis ganz vergessen hatte, bewachte sie. Ihre rätselhaften Augen ruhten auf der Herzogin. Ramis bedankte sich bei ihr und schwang sich in die Kutsche. Antoinette setzte sich ihr gegenüber. Sie konnte keine Gedanken lesen, schien es jedoch zu versuchen. Dabei war ziemlich klar, über was Ramis nachgrübelte. Was würde nun mit den Gefangenen geschehen? Dem englischen Botschafter würde man wohl kaum etwas antun, denn man wollte keinen Krieg provozieren. Was die Konsequenzen betraf, das sollte sein König George entscheiden. Aber was war mit dem Marquis? Ging die Bestrafung bis zur Hinrichtung?
"Der Regent sieht in Euch eine große Gefahr", sagte Antoinette. "Meint Ihr nicht, dass er wusste, dass die Comtesse und ihre Handlanger auf Euch lauerten? Er hat gewartet..."
"Auf die Nachricht, dass ich tot bin? Oh Antoinette, übertreibt doch nicht!"
Aber es passte alles zusammen. Ramis fröstelte. Ihr Leben war schon oft bedroht gewesen, dieses Mal war es allerdings etwas anderes. Sie fühlte sich von Ränkespielen umgeben, die sie nicht verstand und deren wirre Windungen sie nicht kannte. Woher hatte Antoinette von der geheimen Zusammenkunft gewusst und welche Ziele verfolgte sie?
Am Ende erwirkte Ramis eine Begnadigung für den Marquis. Es war jedoch ein kräftezehrendes Tauziehen gewesen, denn um den König waren Leute, die die Angelegenheit gegen sie zu verwenden suchten und ihr Mitwisserschaft vorwarfen. Doch weil niemand zu Tode gekommen war und man keine große Affäre daraus machen wollte, ließ man die Sache auf sich beruhen. Für Ramis hatte es jedoch weitere Folgen, eine davon stand am Abend vor ihrer Tür. Sie prallte förmlich zurück, als sie in die Eingangshalle trat. Man hatte ihr mitgeteilt, dass Lord Fayford sie sehen wollte, dennoch überraschte sie es, ihn zu sehen.
"Was wollt Ihr?" , fragte sie unwirsch.
Ohne auf ihre Erlaubnis zu warten, kam er auf sie zu.
"Wollen wir uns nicht in Euren entzückenden Salon setzen? Dann erkläre ich es Euch ganz genau."
Er war unverschämt. Während er anderen gegenüber sehr charmant sein konnte, war er zu ihr immer unverschämt und machte doppeldeutige Bemerkungen, von denen er genau wusste, wie sehr sie sie ärgerten.
"Nein ", erwiderte sie kühl. "Wenn Ihr etwas sagen wollt, so tut es hier. Ich habe wenig Zeit."
"Wie Ihr meint. Ihr macht es mir aber ganz schön schwer."
Er grinste und machte eine Pause, ohne auf ihren abweisenden Ausdruck zu achten. Seine Selbstsicherheit schien durch nichts beeinträchtigt werden zu können.
"Ich wollte mich bei Euch entschuldigen, Madame. Was ich über Euch gesagt habe, war nicht sehr anständig. Es geschah jedoch im Streit. Könnt Ihr mir trotz Eurer anscheinend natürlichen Abneigung verzeihen?"
Ramis schwieg verdutzt. Sie brachte kein Wort heraus. Stattdessen stieg ein übermächtiger Lachreiz in ihr auf und sie gluckste erstickt auf. Was war das für ein Wirrwarr? Sie verstand die Welt immer weniger, jeder Tag brachte neue Verwirrung. Er jedenfalls schien ihre Geräusche als Zustimmung aufzufassen und verabschiedete sich nach kurzem Zögern, da sie nichts
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