Dunkle Häfen - Band 2
Linie nicht gekommen, um mich nach Eurem Wohlbefinden zu erkundigen. Ich will Euch sprechen. Folgt mir!"
"Wohin?" Das Misstrauen war schlecht verborgen.
Er lächelte freudlos.
"In mein Arbeitszimmer. Keine Sorge, ich werde Euch nicht einfach verschwinden lassen."
Keineswegs beruhigt, ging sie dennoch mit. Seine Räume waren seinem Rang entsprechend luxuriös und geräumig. Er forderte sie auf, sich zu setzen. Ihr Gespräch verlief etwa in den erwarteten Bahnen und er machte sich kaum die Mühe, seine Worte zu verschleiern.
"Ihr seid m einem Einflussbereich entkommen", stellte er gleich zu Anfang fest und es klang wie eine Drohung.
Das weitere hörte sich noch mehr danach an. Er riet ihr mit sehr klaren Worten, sich vom König fernzuhalten und sich weder in politische noch gesellschaftliche Angelegenheiten einzumischen.
"Das geht Euch nichts an, Engländerin . Ihr seid reich, und wenn Ihr Euch beschäftigen wollt, lasst Euch lieber auf ein paar harmlose Affären ein. Dann würden wir uns gleich viel besser verstehen. Aber lasst die Finger von Dingen, die Ihr nicht versteht. Ihr würdet es bereuen. Gedenkt dieser Worte."
Sie stand abrupt auf.
"Ich habe Euch nichts mehr zu sagen. Nur das: Fahrt zur Hölle! Ich lasse mir nicht gerne drohen!"
"Ihr handelt Euch Ärger ein, Madame de Sourges ! Seid zufrieden mit dem, was Ihr als Herzogin habt! Ich deutete bereits an, wir könnten sehr gute Freunde sein, wenn Ihr nur einsichtig wärt..."
Sie knallte geräuschvoll die Türe zu. Jetzt erst recht nicht! dachte sie erbittert. Jetzt gebe ich nicht mehr auf!
Die leidige Angelegenheit hielt Ramis Laune nur kurze Zeit auf dem Tiefpunkt. Dann sagte sie sich, dass der Regent ihr eigentlich nichts anhaben könne. Er wollte sie nur einschüchtern. Diese Feststellung beruhigte sie und bald hatte sie es wieder vergessen. Louis wollte ihr den Garten und das Schloss persönlich zeigen und führte sie stolz herum. Das verband man mit einem ausgedehnten Spaziergang, so dass beinahe alle der Gäste schwatzend mit flanierten. Je mehr sie davon sah, desto entzückter wurde Ramis. Sie begann diese alten Gemäuer zu lieben. Hier konnte sie die Stadt vergessen, die Menschenansammlungen, die ihr stets eine unerklärliche Scheu eingeflößt hatten.
Als es Nacht wurde, saß Ramis in ihrem Zimmer am Fenster und starrte gedankenverloren hinaus ins Dunkel. Im Garten standen keine Laternen, dennoch drang von irgendwo Licht her. Nur deshalb konnte sie die Person überhaupt sehen, die mit langen Schritten den Weg entlang kam. Ihr Herz stockte und setzte für einige Schläge aus. Wurde sie wieder verrückt und hatte Wahnvorstellungen? Wie konnte das sein? Doch Ramis erkannte geschockt, dass es keine Täuschung war. Er war hier, derjenige, den sie am wenigsten hier haben wollte.
Warum auch nicht? fragte eine vernünftige Stimme in ihr. Er ist Botschafter hier.
Dennoch war da auch noch die abergläubische Furcht, der Ring und sein Fluch hätten ihn hergeführt. Ramis musste nur das glutvolle Rubinauge ansehen. Ihre eigenen Augen folgten ihm aus der sicheren Dunkelheit, in die ihr Zimmer getaucht war, denn sie hatte das Licht wegen der Mücken gelöscht. Angst und Beklemmung machten sich in ihr breit, als er verschwunden war, aber auch ein anderes Gefühl, das sie sich nicht eingestehen konnte.
"Frau Maman, was tut Ihr denn da?" Charlottes vom Schlaf undeutliche Stimme schreckte sie gehörig auf.
Ihr Schrecken verwandelte sich rasch in leichten Ärger.
"Du bist noch auf? Du solltest längst im Bett sein und schlafen!"
"Ich bin aufgewacht. Ich habe böse geträumt."
"Aber das war doch nur ein Traum, Liebes", schalt sie wenig überzeugend.
"Es tut mir leid, Euch gestört zu haben, Frau Maman. Ich gehe wieder schlafen."
Ramis konnte nur nicken. Sie kam sich wie eine Verräterin vor. Eine gute Mutter, wie sie in ihrer Vorstellung existierte, würde ihr Kind jetzt in den Arm nehmen und trösten. Doch dazu war sie einfach nicht fähig, sie zitterte selbst am ganzen Körper. Vermutlich würde Charlotte nun zu ihrer Amme gehen und dort Trost suchen. Ihre Mutter wünschte, sie hätte dem Wunsch nachgegeben können, hinterher zu rennen und sie ganz fest drücken, bis diese Distanz zwischen ihnen verschwunden war. Sie blieb sitzen und die Tür schloss sich mit einem leisen Klacken. Ramis Blick wanderte beschämt zum Fenster zurück, wie eine Frau, die auf frischer Tat ertappt worden war. Nur noch finstere Nacht und ein schmaler Streifen
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