Dunkle Häfen - Band 2
konnte nicht mehr ankämpfen gegen dieses monströse Gefühl, das in ihr herangewachsen war.
Tagebuch
Februar 1721, Paris
Der Fluch lastet wieder auf mir wie ein Gewicht, das mich erdrückt. Stundenlang drehe ich den Ring um meinen Finger, starre ihn an. Ich sehe den Weg vor lauter Nebel nicht mehr. Wohin soll ich gehen? Die Angst pocht in mir, als hätte sie mein Herz ersetzt. Ich kann nicht klagen um mein Selbst, das ich verloren habe und von dem ich nie ahnte, dass es da war. Nun habe ich meine Seele endgültig verloren. An ihrer Stelle wohnt nur noch der Wahn und benebelt meine Sinne. Ich sehe die Dunkelheit um mich herum, sie kriecht durchs Fenster herein und will mich verschlucken. Ich kann nicht schlafen, wälze mich unruhig herum, mein Körper scheint zu brennen...
Ich weiß, morgen wird es nicht mehr so schlimm sein, ich kann wieder atmen, meine Umgebung mit meiner Arroganz nerven, doch es wird immer noch da sein, wie Gift in meinen Adern. Eine ganz andere Art Wahnsinn hat sich meiner bemächtigt - so hilf mir endlich einer!
Renn weg
In den ersten Tagen des März verwirklichte Ramis ihren Plan und reiste auf ihr Landgut. Sie hoffte, dort Abstand von den Ereignissen in Paris nehmen zu können. Doch auch weit weg von der Hauptstadt fand sie keine Ruhe. Ihr kleines Stück Erde war genauso schön, wie Ramis es sich vorgestellt hatte. Es war sie selbst, die leer und gleichzeitig zu voll mit Gefühlen war, um es zu genießen, obwohl sie einen ruhigen Tagesablauf hatte und lange Ausflüge in die Natur machte. Entgegen ihrer Planung blieb die Herzogin mehrere Wochen fort und je länger sie in der beschaulichen Einsamkeit verbrachte, desto mehr besserte sich ihr Seelenzustand. Sie hörte kaum etwas aus Paris, nur ab und an durch die Briefe ihres Mannes oder die des Marquis. Aber auch diese Tage vergingen und es wurde Zeit, zurückzukehren. Das Land blühte, als Ramis in ihrer Kutsche nach Paris rollte. Wie jedes Jahr kehrte das Leben mit voller Wucht nach seinem langen Winterschlaf zurück. Einmal ließ sie ihr Gefährt am Straßenrand anhalten und stieg aus. Es roch so intensiv nach Blüten, dass sie sich fast betäubt fühlte. Überall waren Farben und Ramis atmete tief ein. Hätte sie nur nicht zurückgemusst. Hier konnte man alles vergessen, wenn auch nur für einen Moment. Vielleicht konnte sie einen Hauch dieses Eindrucks mit in die Stadt nehmen. Doch kaum hatte sie die Tore von Paris erreicht, war alles wie bisher. Im Haus wurde sie freudig empfangen, als hätte es nie eine Zeit gegeben, in der sie unerträglich gewesen war.
Ramis erfuhr schnell, dass Lord Fayford in England war und erst im Sommer zurückkehren würde. Sie hätte erleichtert sein sollen, aber plötzlich schien ihr Leben fade. Ihre Laune wurde immer schlechter, sie benahm sich zickig und ließ jeden ihre scharfe Zunge spüren. Am Ende brüskierte sie sogar den König, als er ihr einmal für ihren Geschmack zu nahe kam. Sie schrie ihn beinahe hysterisch an und hätte ihn fast gestoßen. Danach lagen ihre Nerven blank, obwohl sie keinen Grund dazu hätte haben sollen. Zu allem Unglück traf sie eines Tages auf die ausgestoßene Comtesse de Magnon, die dasselbe Geschäft wie sie betrat.
"Ah, unsere königliche Mätresse!" , rief die Comtesse hohntriefend.
Eine dicke Wolke Parfüm umhüllte Ramis, als ihre Feindin neben sie trat.
"Und ", die andere senkte heuchlerisch die Stimme, "wie ist er denn im Bett? Oder lasst Ihr ihn gar nur brennen, bis er Euch vollkommen ausgeliefert ist? Man sagt, Abstinenz fördert die Leidenschaft... Ihr seid mir eine!"
Die Herzogin starrte sie sprachlos an. Dann zischte sie und versuchte, die Comtesse zu packen. Diese wich jedoch flink zurück.
"Na, habe ich ins Schwarze getroffen? Ich bin sicher, Ihr habt dennoch genug Vergleich zu unserem unermüdlichen Lord, oder?"
Nun lief Ramis wirklich knallrot an, was die Magnon zwar unter dem Schleier nicht sehen konnte, die starke Gemütsregung entging ihr aber trotzdem nicht. Sicher hatte sie bereits in Erfahrung gebracht, dass die beiden nicht gerade ein Liebespaar waren, sie hatte allerdings eine Wunde entdeckt, in der sie stochern konnte. Sie lachte.
"Er muss schon sehr seltsame Neigungen haben, wenn er sich zu einer wie Euch legt."
"Damit trefft Ihr eher Euch selbst, Madame! Ihr Heuchlerin, Ihr wisst genau, dass ich nicht Ihr bin!"
Die Comtesse räkelte sich genüsslich.
"Nein, das seid Ihr in der Tat nicht. Denn welcher Mann könnte
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