Dunkle Häfen - Band 2
Gegenwehr schwand mit jedem Tag und ich ergab mich mehr und mehr in diese Verrücktheit. Wenn jemand mir das vor ein paar Jahren, ja noch vor ein paar Monaten gesagt hätte, ich hätte ihm nicht geglaubt.
Nun fiel sogar Louis etwas auf. Er reagierte tief gekränkt, weil er merkte, dass ich in Gedanken woanders war. Da nahm ich mich zusammen und brachte die unmenschliche Kraft auf, mich ganz normal zu verhalten. Wie schwer das war, weiß außer mir nur Gott, denn Fayford war ständig um mich herum und ließ seinen Charme spielen. Nein, er war irgendwie anders, ehrlicher, schien mir.
August 1721 , Paris
Als wir im Spätsommer nach Paris zurückreisten, wurde es entgegen aller Erwartungen leichter. Noch immer brütete die Stadt in der Hitze. In Südfrankreich wütete die Pest, alle fürchteten, sie könne sich ausbreiten und in die Hauptstadt eingeschleppt werden. Ich fühlte mich, als könne jeden Moment die Apokalypse über uns hereinbrechen. Neuerdings bin ich ständig beim Marquis zu Besuch, seine Anwesenheit hilft mir ein wenig. In mir tobt ein Kampf, der mich zerreißt, ich verstoße gegen alle Prinzipien, die ich je hatte. Bei jedem Atemzug ist Sir Edwards Geist um mich herum und verhöhnt mich, lacht über meine Schwäche. Ich fühle mich diesem Sturm so wehrlos ausgesetzt, habe nie gelernt, dagegen anzukämpfen. Aber es muss sein.
Tanz ins Unglück
Die Comtesse de Magnon kehrte an den Hof zurück. Ramis protestierte halbherzig, doch man gab nicht nach. Das hätte ihr zu denken geben sollen, was es allerdings nicht tat. Sie unterhielt sich weiterhin mit dem König und nichts schien sich geändert zu haben. Solange er auf ihrer Seite war, würde niemand etwas gegen sie unternehmen, so glaubte sie. Ansonsten befand sie sich in einem Wechselbad der Gefühle. An manchen Abenden zog sie sich hässlich an, um sich hinter unförmiger Kleidung zu verstecken und alle - Fayford - abzuschrecken. Stets schämte sie sich dann ihrer selbst, doch wenn sie andererseits prächtig und aufgeputzt wie eine Königin erschien, ging es ihr genauso und sie wollte sich wieder verkriechen. Der Hof beobachtete ihr seltsames Verhalten und spekulierte.
Ramis sah und hörte es wohl, doch was hätte sie dagegen tun sollen? Seit sie wieder am Hof waren, gingen sie und Fayford eher getrennte Wege, sie begegneten sich wie Fremde, die einander im Auge behielten. Fayford unterhielt sich weiterhin mit den vielen Damen, was Ramis nur am Rande auffiel. Sie war zu sehr in ihre eigene Wirrnis versunken und rang zu sehr mit den Schatten der Vergangenheit, um darauf zu achten.
Doch die Sache mit Adélaide rüttelte sie notwendigerweise wieder auf. Sie hatte ihre alte Freundin beinahe ganz vergessen, bis sie im Gang direkt auf sie stieß. So kam es, dass sie ins Gespräch gerieten, soweit man von einem reden konnte. Adélaide strahlte von innen heraus und wirkte um zehn Jahre jünger. Ihr Gegenüber war dagegen von einer fatalistischen Wolke umgeben und erinnerte an eine Besessene. Ihr Gespräch war kurz und wenig aufschlussreich und verschwand bald aus Ramis Bewusstsein. Sie machte sich keine Gedanken darüber, weshalb Adélaide auf einmal so glücklich schien. Außerdem teilte die es ihr sowieso bald selbst mit.
"Hört zu, Anne. Ich weiß, Ihr könnt ein Geheimnis wahren."
Sie passte Ramis in ihrem Haus ab, um ihr diese wichtige Information zukommen zu lassen.
"Ich muss es loswerden. Wisst Ihr, ich bin wieder verliebt..."
"Und sicher nicht in Euren Mann..." , vermutete die Herzogin trocken.
Sie saßen im kleinen Salon, der sich eher als der große für Unterhaltungen eignete, die geheim bleiben sollten.
"Seid Ihr verrückt? Nein, natürlich nicht! Dieser alte Narr! Ich hoffe, er stirbt bald. Nein, es ist jemand ander es. Und ich denke, er erwidert meine Gefühle." Sie lächelte versonnen.
"Und, wer ist es?" Ramis bemühte sich, eine gewisse Anteilnahme aufzubringen.
Sie überlegte, mit wem sie Adélaide in letzter Zeit öfters gesehen hatte, aber es fiel ihr keiner ein. Sie hatte sich ein- , zweimal mit Fayford unterhalten, was Ramis nur deshalb aufgefallen war, weil ihr Blick so oft bei ihm vorbeischweifte. Doch der war es bestimmt nicht.
"Das kann ich Euch leider noch nicht sagen. Es ist zu delikat", meinte Adélaide geheimnisvoll.
"Aber über Euch habe ich Gerüchte gehört. Ist das wahr?"
Ramis wusste nicht recht, um welche Gerüchte es ging, aber sicherheitshalber verneinte sie gleich.
"Nein, das sind Gerüchte
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