Dunkle Häfen - Band 2
er die Tür öffnete, blieb ein dunkler Schmierfleck auf seinem Handschuh zurück. Blut.
Schließlich ging Ramis im Garten spazieren, um sich ein wenig abzukühlen. Dort hielt sie es allerdings auch nicht lange aus, weil sie ein nächtliches Liebespaar auf einer Parkbank überraschte. Das konnte sie derzeit noch weniger als sonst ertragen und sie beschloss, nun endgültig nach Hause zu gehen. Sie schaffte es gerade noch, einen Lakaien loszuschicken, der dem König eine Nachricht überbrachte. In ihrem Zimmer angekommen warf sie sich aufs Bett und fühlte sich sterbenselend. Sie war selbst erstaunt, wie viel es ihr ausmachte. Dass ausgerechnet sie an gebrochenem Herzen leiden sollte, schien ein Spott ohnegleichen zu sein. Ein Wutanfall packte sie und sie schleuderte ihre Kissen herum, bis keines mehr da war, während sie Adélaide und Fayford lästerlich verfluchte und sich einen idiotischen Schwächling nannte. Tränen der Wut schossen Ramis in die Augen. Er hatte sie die ganze Zeit getäuscht und wollte dabei nur eine Frau mehr, die sein Bett wärmte. Zornig riss sie sich den Rubinring vom Finger und schmetterte ihn mit voller Wucht auf ein zartes Gebilde aus Porzellan, das einen Drachen darstellte, direkt aus China importiert. Es kippte um und zersplitterte krachend. Das Klirren hatte eine befriedigende Wirkung auf Ramis und sie hörte auf zu toben. Zögernd hob sie den Ring wieder auf.
"Ich hasse dich ", sagte sie zu ihm. "Ich weiß , du hattest mich gewarnt. Sicher ist alles trotzdem nur deine Schuld. Wie viel Blut brauchst du denn noch?"
Die ganze Welt hatte sich gegen sie verschworen und sie verraten. An ihrer Tür klopfte es beharrlich, doch sie ließ niemand en zu sich herein. Jetzt war es zu spät, um sie vor ihrer Blindheit zu bewahren.
Weder dem Lord noch Adélaide gönnte sie daraufhin noch ein Wort. Ihr Schweigen legte sich wie eine eisige Wolke der Unnahbarkeit um sie und schreckte auch die anderen Leute ab. Adélaide verstand gar nichts, war bald jedoch beleidigt. Lord Fayford versuchte, Ramis abzupassen und mit ihr zu reden. Sie hätte ihn am liebsten eigenhändig mit ihrem Schleier erwürgt. Aber sie erhielt ihre Maske aufrecht und ließ sich nichts anmerken. Auf keinen Fall durfte er merken, wie sehr sie verletzt war, obwohl sie doch kein Recht dazu haben sollte, da sie ihn immer zurückgewiesen hatte. Einmal allerdings brach es aus ihr heraus, als Adélaide sie absichtlich anrempelte. Ramis hätte fast zugeschlagen in ihrer Wut, zügelte sich aber und beschimpfte sie stattdessen wüst auf Englisch. Brüskiert flüsterte man danach über 'la folle' und ihren neuesten Ausbruch. Die Herzogin hatte das Gefühl, an ihrem Zorn zu ersticken. Sie sah Adélaides schlanke Gestalt, die Jahre, die sie jünger war und die kokette Schönheit. Sie fühlte sich so alt und verbraucht. Niemand würde ihren abgenutzten Körper lieben können und vermuten, dass er sich kaum ausgelebt hatte, sondern immer in eiserne Fesseln gezwängt wurde. Innerlich rasend trat sie den Rückzug an. Inzwischen hasste sie Adélaide und alle, die genauso waren wie sie, aus tiefstem Herzen.
Es war eben erst dunkel geworden, als ein Bote zum herzoglichen Haus kam und Ramis eine Nachricht überbrachte. Er reichte ihr hastig einen handbeschriebenen Zettel.
"Es ist sehr eilig, Madame. Derjenige, der ihn mir gab, war in großer Bedrängnis."
Schnell überflog sie die Zeilen. Es schnürte ihr die Kehle zu.
Madame de Sourges, kommt bitte möglichst schnell zum Gasthaus Zum reisenden Kaufmann. Es geht um Euren Freund, den Marquis d'Agny. Er braucht Euch dringend.
Kein Siegel, kein Name. Es war sehr verdächtig.
"Wer hat Euch diesen Zettel gegeben?"
"Ein mir unbekannter Mann, Herrin. Er schien in Aufregung. Gut angezogen, aber kein Adliger. Ich bin nur zufällig dort gewesen."
"Wo ist dort?"
"Na, am Gasthof." Er wartete nicht, dass man ihn entlohnte, offensichtlich war das bereits geschehen.
Ramis zog sich hastig einen Umhang über ihre Contouche und holte rasch Guillaumes Pistole, die wie sie wusste, in seinem Zimmer war. Während sie hinausrannte, schickte sie nach der Kutsche. Es war gut möglich, dass sie in eine Falle geriet, doch wie konnte sie dem Ruf nicht folgen? Dem Marquis konnte durchaus etwas zugestoßen sein. Und sie kannte den Gasthof Zum reisenden Kaufmann als eine Absteige mit einem guten Ruf, in der auch Adlige nächtigten. Auch die Gegend war nicht das richtige Umfeld für einen Meuchelmord. Als die
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