Dunkle Häfen - Band 2
solle doch, wenn möglich, ein bisschen früher kommen. Vorher plante sie nur noch Adélaide eines ihrer Colliers vorbeizubringen, das diese sich ausleihen wollte, weil sie selbst kein passendes zur Verfügung hatte.
"Ich bin mit meinen Gedanken derzeit woanders, meine Liebe. Und Euer Collier passt so wundervoll zu meinem Kleid. Wärt Ihr so lieb und würdet es mir ausleihen?" , hatte die Freundin gefragt.
Ramis hatte auf der Zunge gelegen, dass ihre Gedanken sicher nicht bei ihrem toten Mann waren, wie es trotz aller Abneigung angemessen gewesen wäre, aber sie beherrschte sich. Es hatte eine Zeit gegeben, da musste sie sich Schmuck und Kleider von ihrer Freundin leihen, nun war es eine Ehrensache, sich dafür zu revanchieren. Ramis wollte es ihr persönlich bringen, um noch kurz mit ihrer Freundin zu sprechen.
Adélaides Tür war jedoch abgeschlossen, als Ramis jetzt davor stand. Sie musste also weg sein. Ramis hatte keine Lust, den Weg umsonst gemacht zu haben und erst einen Diener schicken zu müssen, und so beschloss sie, das Collier einfach ins Zimmer zu legen. Den Schlüssel trug sie ja zum Glück bei sich. Sie steckte ihn ins Schloss und öffnete sachte die Tür. Zuerst hörte sie die Geräusche. Es war doch jemand da. Sie war drauf und dran, wieder zu gehen. Hätte sie doch gleich einen Diener geschickt. Aber es klang, als leide jemand Schmerzen. Sie spähte vorsichtig ins Zimmer. Sicher brauchte Adélaide ihre Hilfe. Ein einziges Licht erhellte den dunklen Raum. Ihre Augen fingen eine Bewegung auf dem Bett ein. Dort wand sich eine Gestalt. Nein, es waren zwei! Ramis schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht aufzuschreien. Das, was hier stattfand, erinnerte sie an einen Kampf. Aber sie wusste, was vor sich ging. Nackte Haut schimmerte im Lichtschein. Die Frau - Adélaide natürlich - stöhnte laut auf. Es brauchte nicht lange, bis sie auch den Mann erkannt hatte. Sie schnappte nach Luft ob dieses Verrats. Das Zucken der Glieder stieß sie zutiefst ab, aber sie stand wie angewurzelt. Die harten Muskeln des Lords und Adélaides gespreizte weiße Beine... Die offensichtliche Gewalttätigkeit raubte ihr den Atem. Sie musste würgen. Ihre geballten Fäuste zerrissen das zarte Geschmeide des Colliers, ein paar Stücke fielen auf den Boden.
Ramis floh und die Tür knallte ins Schloss. Sie stoppte erst, als sie einem Diener begegnete, der sie fragte, ob ihr etwas fehle, weil sie so leichenblass war. Als sie verneinte, ließ er sie in Ruhe. Sie lehnte sich an die Wand und versuchte, sich zu sammeln. Ihre Hand blutete und ihr dünner Handschuh war durchbohrt, sie hatte sich an dem kaputten Collier geschnitten. Einige Reste davon hielt sie immer noch umklammert. Sie stopfte sie in einem Blumentopf neben sich. Ihre Freundin hatte sie verraten! Und was noch schlimmer war, Fayford auch. Wie hatte Ramis nur so dumm sein können? Wie hatte sie nur glauben können, er meine es ernst? Gerade sie hätte ihn besser kennen sollen. Wie hatte sie sich eigentlich einbilden können, irgendeinen Anspruch stellen zu dürfen? Verraten? Ha! Es hatte nie Vertrauen gegeben... Das vibrierende Lachen, die kleinen Gesten, die Einstimmigkeit zwischen den beiden, die sie als harmlos befunden hatte - alles war ein abgekartetes Spiel gewesen. Und sie hatte den Lord ironischerweise sogar noch dazu aufgefordert, sich doch um die arme Adélaide zu kümmern... Dabei waren sie die ganze Zeit über ein Liebespaar gewesen. Ramis schloss die Augen, aber auch so konnte sie das Bild nicht vertreiben, das sich ihr geboten hatte. Vor allem jedoch schockierte sie, wie Adélaide diesen gewalttätigen Akt genossen zu haben schien. Ramis trat gegen den Blumentopf, in dem auch schon ihre Kette lag.
"Ich muss mich für das Fest herrichten", murmelte Adélaide träge und wälzte sich aus dem Bett. "Mon amour", hauchte sie dazu, bevor sie mit eckigen Bewegungen im Ankleidezimmer verschwand.
Fayford schwang sich mit mehr Elan aus dem Bett. Er angelte nach seinen Kleidern. Dabei entdeckte er etwas, das vor der Tür auf dem Boden lag. Ein Stück goldenes Geschmeide und einige kleine Saphire. Er kannte nicht viele Frauen, die Saphire trugen. Und wenn er sich nicht irrte, hatte er die Kette schon einmal an der Herzogin de Sourges gesehen. Er fluchte und schlüpfte in seine Sachen. Diese Frau machte nichts als Ärger. Immer, wenn er glaubte, sie gewonnen zu haben, entwand sie sich wieder. Warum musste sie auch immer zur falschen Zeit am falschen Ort sein? Als
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