Dunkle Häfen - Band 2
abgereist, von dem Ramis wusste, dass er der derzeitige Geliebte ihres Mannes war. Ramis hingegen wäre lieber in Versailles geblieben, hier war es so schön ruhig und erhaben. Es reizte sie nicht, wieder in eine völlig fremde Stadt zu ziehen. Doch sie sah ein, dass es eben nicht ging, hier zu bleiben.
Eine weitere Woche später rollte ein weiterer Tross von vollbepackten Kutschen gen Paris.
Tagebuch
November 1715, Paris
Paris ist eine große Stadt - fast so groß wie London - und ähnlich schmutzig. Ich roch wieder den widerlichen Gestank der Straßenrinnen und der Exkremente auf den Wegen. Städte haben stets zwei Gesichter: Das auffälligere besteht aus den prächtigen Bauten, den Palästen und Kirchen und den luxuriösen Anwesen der Reichen. Doch ich habe immer eher das andere gesehen, vielleicht weil ich jahrelang dicht neben diesem ersten schönen Gesicht lebte, ohne aber je Anteil daran zu haben. Deshalb bemerkte ich auch dieses Mal all die baufälligen Gebäude der Vororte und vor allem die vielen Menschen, die mir zugleich Unbehagen einflößten und mich aufwühlten. Die Bettler, die mageren Kinderdiebe, die abgerissenen käuflichen Frauen - sie kann ich nicht übersehen. Als unsere Kutsche über das Pflaster ratterte, blickte ich an den Fassaden der Häuser hoch - ich hatte vergessen, wie sie auf einen niederdrückten. Plötzlich fühlte ich den schweren Stein wieder in meinem Bauch: Um mich herum war die Menge. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich sicher in der Kutsche saß. Von Guillaume wusste ich, dass wir in Paris unser eigenes Haus hatten.
"Ihr werdet dort den ganzen Komfort genießen kön nen, der einer Herzogin zusteht", sagte er mir.
Als wir das Haus erreichten, staunte ich über seine Größe. Das Gebäude scheint nicht sehr alt, es ist im barocken Stil erbaut. Es hat viele große Fenster, aber leider keinen Garten. Schade. Dann hielt die Kutsche vor der großen Tür und man half mir heraus. Am Arm meines Ehemannes betrat ich mein neues Heim. Es war so prächtig, wie ich es mir insgeheim gewünscht hatte. Eine Traube von Dienern stand schon zum Empfang bereit. Ich spürte ihre neugierigen Blicke. Wer war die Frau, die ihr Herr völlig unerwartet geehelicht hatte? Und ich würde ihre künftige Herrin sein. Neben mir stand Henriette und hielt mein Täschchen mit dem Handgepäck. Sie war sehr erleichtert gewesen, als ich ihr sagte, dass sie mit nach Paris kommen solle, um weiterhin meine Zofe zu sein. Ich betrachtete die neuen Dienstboten interessiert, schließlich würden wir zusammenleben müssen.
Ich glaube, mir war immer noch nicht klar, dass ich nun die Herrin war und sie mit mir auskommen mussten. Manch einer erwiderte neugierig meinen Blick, viele sahen artig zu Boden. Dann entdeckte ich unverhüllte Abneigung. Es war ein Junge von kaum mehr als elf Jahren, der schnell den Kopf senkte. Er hatte ein zartes Gesicht mit langen Wimpern und weichen schwarzen Haaren. Er wirkte wie ein Engel, starrte mich aber an wie ein tollwütiges Tier. Was er wohl hatte? Ich vergaß das Kind wieder, als man mich zu dem Räumen geleitete, die die meinen werden sollten. Es waren mehrere Zimmer mit einem Badezimmer, einem Schlafzimmer, einem kleinen Salon und einem Ankleidezimmer. Meine eigenen Zimmer!
"Das ist ja wunderbar!" , rief ich aus und lief in jedes einzelne.
Möbel gab es noch nicht so viele, ich würde meine eigene Auswahl treffen können. Ich war versucht, mich voller Begeisterung im Kreis zu drehen.
"Kann ich noch etwas für Euch tun, Herrin?" , fragte die Frau, die mich hergeführt hatte.
Ich verneinte und erkundigte mich nach ihrem Namen, den ich peinlicherweise schon wieder vergessen hatte, falls er mir je gesagt worden war. Sie heißt Madame Cavosier und ist die Frau des Majordomus. Ich entließ sie und plötzlich merkte ich, wie sehr ich mich an die Rolle der Adligen gewöhnt hatte. Anweisungen zu erteilen hatte ich bereits als Kapitän lernen müssen, aber es selbstverständlich zu finden, bedient zu werden? Ich weiß nicht, mir haben die Ideen von der Gleichheit der Menschen immer sehr gefallen. Dennoch konnten mich diese Überlegungen nicht lange von der überschäumenden Freude abhalten, die ich empfand. Jetzt drehte ich mich doch im Kreis und als mir schwindlig wurde, ließ ich mich lachend auf das weiche Bett fallen. Dies war mein Haus! Für all diese Leute war ich die Herrin! Ich wühlte mich durch die Kissen, stand wieder auf und fasste alles an. Albern wie ich
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