Dunkle Häfen - Band 2
blieb auf jeden Fall standhaft bei seiner Meinung. Letztendlich schien es D'Orléans die Mühe nicht mehr wert und er ließ es bei einer Verwarnung bewenden.
"Danke ", flüsterte ich dem Jungen ins Ohr.
Er lächelte mich an, bis er sich mit seinen Begleitern wieder entfernte. Ich verweilte neben dem Marquis, der fast enttäuscht wirkte, weil er um seinen Märtyrertod gebracht worden war.
Ich musste an Edward denken, der auch immer ein so unvernünftiger Hitzkopf gewesen war. Ständig mache ich mir Sorgen um ihn und um William und der Gedanke an sie ist wie eine offene Wunde. Ich bin ihnen keine gute Mutter gewesen. Denn ansonsten wäre Edward nicht gegangen und William müsste nicht ohne mich auskommen. Wie immer betrübte es mich zutiefst und ich meinte:
"Kommt, lasst uns gehen. Der Abend ist für uns gelaufen."
Er nickte und gemeinsam verließen wir den Raum. Ich fing noch die mörderischen Blicke der Comtesse und ihres Begleiters auf und ahnte, dass ich mir wieder einen unversöhnlichen Feind gemacht hatte. Bei unseren Kutschen hielt der Marquis an und legte mir die Hände auf die Schultern.
"Wollt Ihr noch mit zu mir kommen?"
Ich dachte an das leere Haus, in dem es außer Henriette niemand en gab, mit dem ich reden konnte. Mir war nicht klar gewesen, wie sehr ich meinen Mann vermisste. Seine Gesellschaft unterhielt mich mehr, als ich das je angenommen hätte und mir fehlten abends seine trockenen Kommentare zum Tag. Deshalb willigte ich sofort in den Vorschlag des Marquis ein, trotz meiner leisen Vorbehalte. Aber der restliche Abend verlief sehr vergnüglich, wir spielten Schach oder redeten. Kein einziges Mal kam er mir zu nahe.
April 1716, Paris
Heute ist Guillaume zurückgekehrt. Seitdem hat sich etwas entschieden verändert. Doch ich beginne von vorne. Kaum dass er in der Türe stand, berichtete ich ihm von den seltsamen Dingen, die im Haus vor sich gingen. Erst gestern habe ich einen roten Farbfleck auf meinem Schuh gefunden und diesen Morgen war eines meiner Ballkleider, das in der Schneiderei gewesen war, eingerissen. Zufall war das bestimmt nicht mehr. Aber auch Guillaume konnte mir nicht weiterhelfen. Zwar ließ er die Diener befragen, doch es kam nichts dabei heraus. Wir konnten nicht anderes tun, als sie künftig zu beobachten.
Als ich mich an diesem Abend in mein Schlafzimmer begab, erblickte ich den hübschen Jean, der hinter meinem Gemahl herlief. Das jagte mir einen gehörigen Schrecken ein. Ich tolerierte die Veranlagung meines Mannes weitgehend, aber ich fand absolut verwerflich, ein Kind dazu zu benutzen. Deshalb öffnete ich den Mund rief ihnen hinterher:
"Jean! Komm einmal her!"
Ich wurde einmal mehr Zeuge, wie der Junge mir nicht gehorchen wollte und sich hilfesuchend an Guillaume wandte. Der starrte mich erstaunt an. In der ganzen Zeit, die wir nun verheiratet waren, hatte ich nie einen Grund gehabt, ihm zuwider zu handeln. Er sagte jedoch nichts und so blieb Jean nichts anderes übrig, als meinem Befehl Folge zu leisten.
"Ich habe gehört, du weigerst dich, zu arbeiten. Was glaubst du, hast du hier zu suchen, wenn du deinen Unterhalt nicht verdienst? Geh hinunter zu den anderen Dienern und morgen meldest du dich in der Küche. Sie sollen dir dort etwas zu arbeiten geben. Klar?"
Meine Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen und er verdrückte sich mit einem hasserfüllten Blick.
"Anne, was sollte das gerade?" , fragte mich mein Mann scharf. "Hatten wir nicht etwas abgemacht?"
"Nein Guillaume! Das kann ich nicht dulden. Außerdem muss ich dringend mit Euch sprechen und habe keine Lust, hinter diesem Jungen anzustehen."
" Zu Eurer Beruhigung: Ich rühre den Jungen nicht an. Mir macht es nur Spaß, ihn zu verwöhnen und manchmal singt er für mich. Das ist alles. Ich bin kein Unmensch, Anne. Also, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass es unmöglich ist, dann müsste ich annehmen, dass Ihr eifersüchtig seid."
Ich wurde rot.
"Unsinn! Ihr missversteht meine Besorgnis! Ich hatte nur Angst… Ach, lassen wir das. Ich glaube Euch. Was allerdings sein Verhalten betrifft: Ihr habt ja keine Ahnung, wie sich dieser Bengel mir gegenüber benimmt! Aber lasst uns nun in mein Zimmer gehen."
"Äh, lieber in meins." Auf meine irritierte Miene hin erklärte er: "Nun ja, Ihr müsst wissen, ich bin nicht so gerne in Frauenzimmern..."
Ich wusste ja schon, dass er seltsame Ängste hegte, aber das schien mir nun merkwürdig.
"Na gut, wenn Ihr meint..."
Ich fühlte, wie mir heiß
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