Dunkle Häfen - Band 2
hatte sie schon länger nicht mehr gesehen und der Marquis... Henriette versorgte ihre Herrin pf lichtbewusst mit dem Klatsch vom Hofe, während diese vorgab, krank zu sein. Ramis erfuhr, dass die Comtesse öffentlich über sie herzog. Es machte sie zwar sehr wütend, von all den Verleumdungen zu erfahren, doch sie ließ sich nicht hervorlocken. Henriette berichtete ihr verlegen, dass die Comtesse behauptete, die Herzogin habe sich aus Liebeskummer zurückgezogen, weil ihr Marquis sie sitzen gelassen habe. Neuerdings wurde er verdächtig oft mit einer schönen jungen Gräfin gesehen und man munkelte über eine Liaison. Und er hatte sich wirklich kein einziges Mal bei Ramis blicken lassen. Die verübelte ihrem Freund, dass er sie so im Stich ließ. Auch wenn sie sich unleidig benahm, wollte sie doch von jemandem aufgemuntert werden. Aber wieder einmal bewies sich, wie wenig sie ihnen am Herzen lag. In ihrem Elend war die ganze Welt grau geworden. Manche Tage begannen damit, dass sie sich ständig übergeben musste und ihre Laune erreichte schon am Vormittag einen Tiefpunkt. Ihr Mann floh vor der gefährlichen Gereiztheit seiner Frau, die jeden anschrie, der es wagte, ihren Weg zu kreuzen. Wenn es besonders schlimm war, wagte sich nicht einmal Henriette an sie heran. Eines Abends, als Ramis Trübsal blies und müde in einem Sessel ruhte, klopfte es an die Tür.
"Lass mich in Ruhe!" , rief sie in dem Glauben, es sei Henriette.
Sie hatte dem Mädchen doch befohlen, sie nicht zu stören! Bereit zu einer scharfen Abfuhr setzte sie sich auf.
"Ich hatte doch gesagt..."
Mit großen Schritten kam der Marquis ins Zimmer. Energisch hob er ihre Hand und küsste sie.
"Madame."
"Wie kommt Ihr hier herein? Ich hatte doch..."
"Ganz einfach, Anne. Ich habe es einfach nicht gelten lassen und habe mir Zugang verschafft."
"Was? Ihr habt den Portier...?"
"So weit musste ich nun doch nicht gehen. Er ist wohlauf, bis auf den Knacks, den ich seiner Berufsehre verpasst habe. Aber was ist denn mit Euch los?"
Ramis lachte bitter und drehte sich um. Sie rückte ihren unordentlich zusammengeknoteten Hausmantel zurecht und fuhr sich über das wirre Haar, das aus einem schweren Knoten herausragte. Wie eine Herzogin sah sie nicht aus.
"Wie nett von Euch, dass Euch das auffällt. Bisher habt Ihr Euch ja nicht die Mühe gemacht, nach mir zu sehen. Wer hat mich am Hof denn vermisst? Adélaide oder Eure Gräfin? Oder Ihr selbst, der Ihr erst heute kommt? Und was glaubt Ihr, wie ich aussehe, wenn Ihr mich so überfallt?"
Ihre schnippische Antwort war ihm sichtlich peinlich, ebenso wie die Erwähnung der Gräfin.
"Es tut mir unendlich leid. Ich versuchte nur... ich wollte nicht an Euch denken und das tun, was Ihr mir geraten habt: Eine jüngere, willigere Frau zu finden. Aber ich kann Euch nicht vergessen. Dennoch wollte ich Euch nicht mehr belästigen, nachdem, was passiert ist... Ich werde allerdings nicht gehen, bis Ihr mir gesagt habt, weshalb Ihr Euch in diesem Loch verkriecht!"
"Ich benötige Eure Anteilnahme nicht! Jetzt will ich nur noch meine Ruhe! Könnt Ihr das denn nicht verstehen? Nur meine Ruhe!"
Aufgebracht legte sie ihre Hände auf ihren Bauch, eine Geste, die sie sich seit kurzem angewöhnt hatte. Obwohl ihr Leib sich kaum wölbte, entging dem Marquis die Bewegung nicht. Er fasste ihren Bauch ins Auge und wurde daraufhin ein ganzes Stück blasser.
"Ist das wahr, was ich denke?" , stammelte er.
"Ich habe keine Ahnung, was Ihr denkt."
"Oh doch, das wisst Ihr. Euh, ist es... ist es meins?"
Damit war die Frage heraus. Nervös rang er die Hände.
"Glaubt das nur nicht! Es ist das Kind meines Mannes!"
Weil sie nun noch erregter war, merkte sie gar nicht, wie sehr sie i hn verletzt hatte.
"Eures Mannes ? Des Herzogs? Aber er..."
"Er ist sehr wohl imstande, ein Kind zu zeugen!"
Inzwischen war die Herzogin de Sourges ebenfalls knallrot angelaufen. Unbewusst zupfte sie am Vorhang ihres Himmelbettes herum, an dem sie lehnte. Der Marquis sank wie betäubt auf einen Stuhl.
"Lügt Ihr auch nicht? Es bestü nde immerhin die Möglichkeit..."
"Ihr habt kein Grund, Euch zu wünschen, dass in dieser verfluchten Nacht..."
Sie brach ab. Er hatte nun die Bestätigung, dass sie sich sehr wohl an diese Nacht erinnerte. Ramis riss fast den Vorhang herunter, so heftig zerrte sie daran.
"Was glaubt Ihr, warum..." Wieder vollendete sie den Satz nicht.
Was glaubt Ihr, warum ich mit meinem Mann geschlafen habe? hatte sie sagen wollen.
War
Weitere Kostenlose Bücher