Dunkle Häfen - Band 2
und kalt wurde. Was ich vorhatte, erfüllte mich mit einem bleiernen Unbehagen und ich fragte mich ständig, ob ich den Verstand verloren hatte. Hinter ihm betrat ich seinen Raum, der von mehreren Lampen erhellt wurde. Er schob mir einen Stuhl zurecht und setzte sich dann mir gegenüber hinter seinen Schreibtisch. Abwartend sah er mich an. Ich begann zu stottern, doch dann besann ich mich.
"Ich weiß, dass wir am Anfang unserer Ehe eine Abmachung getroffen haben. Ich habe diese nie in Zweifel gezogen. Aber jetzt... es hat sich etwas geändert, Guillaume. Mir ist bewusst geworden, dass ich als Herzogin Pflichten habe. Auch Euch gegenüber... Ihr seid Stammhalter einer sehr alten Familie." Ich wurde immer leiser, während ich fortfuhr und mied seinen Blick. "Ich habe den Zwang, einen Erben zu haben, immer verabscheut, doch..." Ich musste schlucken. "Es wird wohl Zeit, dass wir unsere Ehe vollziehen."
Ich hob die Hand, um seine Erwiderung zu unterdrücken.
"Zumindest bis ich schwanger bin."
Guillaume wurde um eine Spur blasser.
"Anne, wisst Ihr, was Ihr da sagt?"
Ich nickte beklommen.
"Aber warum? Warum ändert Ihr Eure Meinung plötzlich? Mädchen, du schlotterst ja!"
Es stimmte, ich zitterte am ganzen Leib. Er kam zu mir herüber und legte mir seine breiten Hände auf die Schultern.
"Sschht. Ist schon in Ordnung. Wegen mir müsst Ihr das nicht tun. Wirklich nicht. Wie stellt Ihr Euch das überhaupt vor? Ich habe noch nie..."
Die Berührung beruhigte mich eigenartigerweise.
"Es ist nötig. Fragt mich nicht, warum. Und es wird schon klappen, oder?"
"Anne, Ihr verlangt einiges von uns beiden. Ich verstehe nicht, warum Ihr das tun wollt."
"Nur diese kurze Zeit. Danach müsst Ihr nie wieder eine Frau berühren. Ich verlange von Euch ja gar keine... Leidenschaft oder so etwas."
Mein Herz raste und verstohlen wischte ich mir meine Hände am Rock ab.
Er seufzte.
"Zu diesem Akt gehört eben zumindest ein bisschen Leidenschaft. Aber gut. Ich sehe, Ihr werdet keine Ruhe geben. Lasst es uns also hinter uns bringen."
" Jetzt? "
"Ihr könnt immer noch ohne weiteres Nein sagen."
Ich rang mich zu einem Entschluss durch.
"Nein. Ich habe mich entschieden."
Entschlossen stand ich auf. Obwohl ich spürte, dass er mir nicht weh tun würde, wie ich es all die Jahre für unumgänglich gehalten hatte, fürchtete ich mich. Diese Furcht zumindest war ziemlich unbegründet. Mit meiner Scham war es allerdings etwas anderes. Dennoch befand ich mich in einem seltsam empfindungsleeren Raum, als er mich auf sein Bett legte, mir die Röcke hochschob und sich an die Arbeit machte. Es war schnell vorbei und ich hatte nur wenig gefühlt. Warum hatte ich mich so lange davor gefürchtet? Hatte ich wirklich geglaubt, dieser Akt müsse zwangsläufig mit Schmerz verbunden sein? Am Anfang auf jeden Fall. Später hatte ich ihn als einen Wahn erlebt, der auch nicht viel besser war. Nun wusste ich auch, dass es ohne große Gefühle ging. Ich kehrte in mein Zimmer zurück und wusch mich. Anschließend legte ich mich auf mein seidenes Bett und betrachtete den künstlichen Sternenhimmel auf dem Stoff über mir. Einen Augenblick gestattete ich mir, über Lord Fayford nachzudenken. Er... nein, ich verdrängte jeden Gedanken wieder. Mit meinem Finger malte ich Wörter in die Luft. Ramis. Anne. Lianna... Nur ein aus den Nebeln der Vergangenheit aufgetauchter Schmerz verbindet diese Frauen. Ich habe nie aufgehört, um meine Familie zu trauern, von der ich bis St.Germain nur tief in meiner Seele wusste.
Heute Nacht lasse ich die Lampe brennen, wenigstens bis ich eingeschlafen bin. Die Geister der Toten sind um mich. Und sie werfen mir Verrat vor...
Juni 1716, Paris
Jetzt ist es sicher: Ich bin schwanger. Mehrere Wochen ging ich zu Guillaume, bis der Zeitpunkt gekommen war, an dem meine Monatsblutung kommen sollte, aber nichts war passiert. Nun erkenne ich auch die Symptome, die mir von William her bekannt sind. Ich sehe der Geburt mit gemischten Gefühlen entgegen. Noch habe ich es keinem gesagt. Wie wird der Hof vor Gerüchten brodeln, wenn es offensichtlich wird, was mit mir los ist!
Launen
In der nächsten Zeit wurde Ramis von einer unerklärlichen Niedergeschlagenheit gepackt. Sie vermutete, dass es mit der Schwangerschaft zusammenhing, doch ihre Laune besserte das nicht. Trotzig schlug sie alle Einladungen zu gesellschaftlichen Anlässen aus und weigerte sich, Besuch zu empfangen. Nicht, dass viele gekommen wären. Adélaide
Weitere Kostenlose Bücher