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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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wieder einmal erfahren, was es hieß, Feinde zu haben. Immer wieder hatte es verdächtige Vorfälle im Haus gegeben, aber der Höhepunkt kam noch. Als sie ihren Tee serviert bekam, bemerkte sie daran einen bitteren Geruch, der sie misstrauisch machte. Zu ihrem Glück, denn nachdem eine Kräuterkundige den Tee untersucht hatte, stellte sich heraus, dass er ein tödliches Gift enthielt. Seitdem wusste Ramis, dass jemand sie töten wollte. Jemand? Die Comtesse oder ein anderer, unbekannter, einer von denen, die der tote Louis in seinem Brief an Guillaume erwähnt hatte? Ihr wurde kalt. Nicht einmal in diesem Haus war man seines Lebens sicher, der Feind musste zu ihrem Haushalt gehören.
     
    Kurz darauf kam etwas Neues heraus. Ramis wusste nicht, ob es etwas mit dem Giftanschlag zu tun hatte, mit dem Schweinekopf und den gestohlenen Sachen allerdings sicher. Gerade als sie eines Tages ihre Räume betrat, sah sie ihn. Der hübsche Jean stand mit dem Rücken zu ihr an der gegenüberliegenden Wand und malte mit einer Farbe wie geronnenes Blut Bilder an die Wand. Mit jedem Strich offenbarte sich der Hass, der in ihm brodelte. Charlottes Wiege, die Ramis von hier aus gut im Blick hatte, war bis zum Rand mit Mist vollgestopft. Ramis rang nach Luft. Zum Glück war ihre Tochter nicht hier gewesen! Die Bösartigkeit, die auf die Herzogin gerichtet war, brachte sie vollkommen aus der Fassung. Die Bilder waren derart scheußlich, dass Ramis sie gar nicht sehen wollte. Doch beim Hereinkommen hatte sie eine nackte Frau erkannt, die sie selbst darstellen sollte. Sie stellte in einer obszönen Pose ekelhafte Praktiken mit vielen Männern um sie herum an. Jean musste durch und durch verdorben sein. Hörbar stieß sie den angehaltenen Atem wieder aus. Das musste er gehört haben, denn er fuhr herum und zuckte zurück. Das Gefäß, in dem die Farbe war, fiel auf den Boden und sein Inhalt verteilte sich über den kostbaren Orientteppich. Jean spannte sich an und schien entweder zum Angriff oder zur Flucht übergehen zu wollen.
    "Du kleiner Teufel!" , brachte Ramis schließlich hervor. "Warum, verdammt noch mal, hasst du mich so?"
    Das glatte Gesicht des Jungen entgleiste.
    "Ihr seid eine Hexe! Ihr habt mir meinen Herrn weggenommen, ihn mit Euren Zauberkünsten verführt!"
    "Das darf doch nicht wahr sein! Du kleines Biest!"
    Sie fixierten sich mit mörderischen Blicken.
    "Warst das die ganze Zeit du? Das Blut, die geklauten Sachen? Hast du auch versucht, mich zu vergiften?"
    Er grinste verzerrt.
    "Das werdet Ihr nie erfahren!"
    "Oh doch, das werde ich! Du bist eindeutig zu weit gegangen! Egal , ob man dich wegen versuchten Mordes verurteilen wird, hier ist kein Platz mehr für dich! Die Straße wäre ein angemesseneres Zuhause!"
    Nie hatte Ramis die schreckliche Realität der Straße vergessen. Armut, Hunger, Schmutz und vor allem Demütigung zeichneten das Leben dort aus.
    "Ich hasse dich! Soll dich doch der Teufel holen, du Hure!" , kreischte Jean.
    Eine Reihe von wüsten Schimpfworten folgte. Mit einer blitzschnellen Bewegung war er beim Fenster und riss es auf. Er schwang sich heraus. Ramis eilte hin und schaute nach unten. Jean hangelte sich an den Rillen und Vorsprüngen des Hauses rasch nach unten.
    "Komm sofort zurück!" , schrie Ramis mit rauer Stimme.
    Sie zog ihren Kopf ein und rannte die Treppe nach unten. Aber als sie die Straße erreichte, war der Junge natürlich schon verschwunden. Als sie einsah, dass es sinnlos war, nach ihm zu s uchen, kehrte sie ins Haus zurück. Später erzählte sie Guillaume, was vorgefallen war. Er zeigte sich erstaunt, ließ aber nicht das geringste Anzeichen für Trauer oder Wut erkennen. Sicher hatte Jeans Sturz schon lange vor der Hochzeit begonnen, nicht erst, als Ramis in seinem Leben aufgetaucht war. Von Henriette wusste sie, dass der Herzog das engelsgleiche Kind einst geradezu vergöttert und ihm jeden Wunsch erfüllt hatte.
    Kein Wunder, dass der Junge sich zu so einem verzogenen Biest entwickelt hat, dachte Ramis, es kann ja nicht gut gehen, wenn man alles erlaubt bekommt. Und kein Wunder, dass er jemanden finden muss, auf den er seinen Hass richten kann, jemanden, der ihm seinen Platz im Mittelpunkt streitig gemacht hat.
    Dabei hatte sie ja nie etwas unternommen, um Jean die Zuneigung des Herzogs streitig zu machen. Oder doch? Hatte Jean geglaubt, ihre entrüsteten Worte des Tadels hätten ihren Mann wirklich beeinflusst? Schweigend betrachtete sie Guillaume, der ihr gegenüber saß. Als

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