Dunkle Herzen
prickelnd wie der Jazz, der aus dem Radio strömte, dachte er, und sehr, sehr mißtrauisch dazu. »Sie sind mit Clare zusammen aufs College gegangen, stimmt’s?«
»Richtig. Jetzt bin ich ihre Agentin. Was halten Sie von ihrer Arbeit?«
»Hier, trink noch einen Schluck Wein, Angie.« Clare drückte der Freundin fast gewaltsam ein neues Glas in die Hand.
»Ist das eine persönliche oder eine berufliche Frage?«
»Wie bitte?«
»Ich möchte wissen, ob Sie mich das als Clares Freundin oder als ihre Agentin fragen.« Während er von Clare ein Glas entgegennahm, beobachtete er Angie scharf. »Sollte nämlich letzteres der Fall sein, dann müßte ich mir meine Antwort sehr genau überlegen, alldieweil ich vorhabe, die Feuerskulptur zu kaufen, die drüben in der Garage steht.« Er warf Clare einen flüchtigen Blick zu. »Du hast schon wieder deine Schlüssel im Auto steckenlassen«, schalt er liebevoll, zog den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und warf ihn ihr zu.
Lächelnd nippte Angie an ihrem Wein. »Wir unterhalten uns später darüber. Etwas anderes: Wissen Sie, wie man einen Holzkohlegrill zum Brennen bekommt?«
Zweites Kapitel
Jane Stokey kümmerte es nicht mehr, was aus ihrer Farm wurde. Dieses Kapitel ihres Lebens war beendet. Auch mit Emmitsboro war sie fertig. Zwei Ehemänner hatte sie begraben müssen, und jeder war ihr völlig unverhofft genommen worden. Den ersten hatte sie von ganzem Herzen geliebt. Sogar heute noch, nach all diesen Jahren, gab es Momente,
wo sie sich voller Kummer und Sehnsucht an ihn erinnerte – wenn sie über die Felder ging, die er umgepflügt hatte und wo er auch gestorben war, oder wenn sie die Stufen zu dem Bett, das sie miteinander geteilt hatten, emporstieg.
Wenn sie an ihn dachte, dann sah sie einen jungen, lebenslustigen, ausgesprochen gutaussehenden Mann vor sich. Einst hatte es eine Zeit gegeben, wo Schönheit ein wichtiger Teil ihres Lebens gewesen war, wo solche Dinge wie Blumen oder ein hübsches neues Kleid sie in Entzükken hatten versetzen können.
Doch Michael war vor über zwanzig Jahren aus ihrem Leben verschwunden, und sie war eine alte Frau von Fünfzig.
Jane hatte Biff nie geliebt, jedenfalls nicht auf diese atemlose, überschäumende Weise, wie sie Mike geliebt hatte. Aber sie hatte ihn gebraucht, sich in jeder Hinsicht auf ihn verlassen, und sie hatte ihn gefürchtet. Sein Verlust glich der Amputation eines Körpergliedes. Nun war niemand mehr da, der sagte, was sie tun sollte, wann sie es tun sollte und wie. Sie hatte niemanden mehr, für den sie kochen und putzen konnte. Und wenn sie nachts aufwachte, lag kein warmer, atmender Körper mehr neben ihr.
Im Alter von achtzehn Jahren hatte sie ihr Elternhaus verlassen und war in das ihres Mannes gezogen, voller Träume, voller Liebe und voller Hoffnungen. Mike hatte für sie gesorgt, die Rechnungen bezahlt, die Entscheidungen getroffen und alles Unangenehme von ihr ferngehalten, während sie das Haus versorgte, sich um den Garten kümmerte und sein Kind gebar.
Dazu war sie erzogen worden. Mehr hatte sie nicht gelernt.
Nur sechs Monate nach Mikes Tod hatte sie die Verantwortung für die Farm, für das Haus und für ihre eigene Person in Biff Stokeys Hände gelegt. Doch bereits vor der Hochzeit hatte Biff damit begonnen, ihr unliebsame Gänge abzunehmen. Sie brauchte sich nicht mit Kontoauszügen und Bankverbindungen abzuplagen, sondern konnte alles
ihm überlassen. Zwar war ihre Ehe mit Biff längst nicht so glücklich wie die mit Mike, und auch das Geld war wesentlich knapper, aber zumindest hatte sie wieder einen Ehemann. Biff mochte ja nicht der zärtlichste Gatte gewesen sein, aber er war da.
Und nun war sie zum ersten Mal in ihrem Leben vollkommen allein, völlig auf sich gestellt.
Die Einsamkeit erdrückte sie fast. Das Haus war so groß, so furchtbar leer. Sie war nahe daran gewesen, Cam zu bitten, mit ihr nach Hause zu kommen, nur damit sie wieder die vertraute Gegenwart eines männlichen Wesens spürte, doch das wäre Biff gegenüber nicht loyal gewesen. Und er hatte ihr Leben so lange beherrscht, daß sein Tod an dieser Bindung nichts ändern konnte.
Abgesehen davon hatte sie ihren Sohn irgendwann im Verlauf ihres Lebens verloren, so wie sie seinen Vater verloren hatte. Es war Jane unmöglich, den genauen Zeitpunkt, als dies geschehen war, zu bestimmen, und sie hatte es längst aufgegeben, darüber nachzudenken. Ihr Sohn hatte sich ihr entfremdet und war zu einem ruhelosen,
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