Dunkle Herzen
zwanzig Mäuse kann jeder schwitzende Kerl, der Abwechslung von seiner Frau braucht, über dich drübersteigen. Das hast du doch nicht nötig, Sarah.«
»Schreib du mir nicht vor, was ich zu tun und zu lassen habe.« Zum ersten Mal seit Jahren stieg Sarah die Schamröte ins Gesicht. »Du bist keinen Deut besser als ich und bist es auch nie gewesen. Glaubst du, du hättest auf einmal Klasse, nur weil Clare Kimball sich gratis von dir flachlegen läßt?«
»Laß Clare aus dem Spiel!«
Diese Bemerkung verschlimmerte die Situation nur. Sarahs Gesicht verzerrte sich vor nackter Wut, und nun half ihr auch das dick aufgetragene Make-up nicht mehr. Sie sah aus wie das, was sie wirklich war – eine alternde Kleinstadthure.
»Diese reiche Schlampe mit ihrem Angeberauto und ihrem dicken Haus! Komisch, was Geld alles ausbügeln
kann. Ihr Alter war ein Säufer und ein Dieb, doch kaum steckt sein Töchterchen wieder ihre Nase in die Stadt, da wird sie von den Weibern schon mit Kuchen und Plätzchen verhätschelt.«
»Und die Ehemänner kommen dann zu dir.«
»Wie wahr.« Ein bitteres Lächeln trat auf Sarahs Gesicht. »Und wenn Clare Kimball nach New York zurückgeht und dich auf dem trockenen sitzen läßt, dann kommen sie immer noch zu mir. Wir sitzen im selben Boot, wir zwei. Du bist immer noch der Cameron Rafferty aus schlechten Familienverhältnissen und bewegter Vergangenheit, und du hängst genauso in dieser stinkenden Stadt fest wie ich.«
»Es gibt da einen kleinen Unterschied, Sarah. Ich bin aus freien Stücken hierhin zurückgekehrt und nicht deshalb, weil ich nirgendwo anders hinkonnte.«
Mit einer schroffen Bewegung schüttelte Sarah seine Hände ab. Sie wollte ihm seine Worte heimzahlen, ihn leiden sehen, koste es, was es wolle. »Muß ja toll sein, gerade jetzt mit diesem Abzeichen herumzulaufen, wo sich sogar deine eigene Mutter fragt, ob du wohl derjenige bist, der den alten Biff zu Tode geprügelt hat.« Voller Entzücken registrierte sie, daß seine Augen vor Wut zu lodern begannen. Offenbar hatte sie einen wunden Punkt getroffen. »Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Leute wieder an deine Vergangenheit und an deinen schlechten Ruf erinnern.« Wieder lächelte sie ihn aus schmalen Augen böse an. »Es gibt hier manch einen, der gerne möchte, daß man sich an so einiges erinnert. Du meinst, du kennst diese Stadt mit ihren braven, grundsoliden Bürgern durch und durch, was, Cam? Aber es gibt ein paar Dinge, von denen du nichts weißt; Dinge, die du dir in deinen kühnsten Träumen nicht vorstellen kannst. Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken, wieso Parker so plötzlich abgehauen ist, warum er seinen fetten, faulen Arsch so fluchtartig aus der Stadt bewegt hat, obwohl er seine Rente schon fast durchhatte.«
»Wovon redest du eigentlich, verdammt noch mal?«
Sie hatte bereits zuviel gesagt. Es würde ihr nicht gut bekommen,
wenn sie sich von ihrem Temperament dazu hinreißen lassen würde, noch mehr auszuplaudern. Statt dessen wandte sie sich zur Tür. Sie hatte die Hand schon an der Klinke, da drehte sie sich noch einmal um. »Wir würden prima zusammenpassen, du und ich.« Sie warf ihm noch einen letzten Blick zu und dachte daran, daß sie nur ein wenig nachzuhelfen brauchte, damit er auf direktem Weg in der Hölle landete.
»Das wirst du noch bereuen, Cam.«
Als die Tür hinter ihr ins Schloß fiel, rieb sich Cam mit beiden Händen über das Gesicht. Er bedauerte schon so einiges, dachte er bei sich. Zum Beispiel, daß er das Büro nicht zehn Minuten früher verlassen und so dieses Zusammentreffen vermieden hatte. Er bedauerte auch, daß er sich so genau an all die Nächte erinnerte, die er mit ihr in den Wäldern verbracht hatte, wo es nach Pinien, Waldboden und Sex roch.
Durch sie wurde ihm ständig vor Augen geführt, wie er mit siebzehn gewesen war. Wie er auch heute noch sein könnte, wenn er nicht gelernt hätte, gewisse Charaktereigenschaften in den Griff zu bekommen – und was beinahe wieder aus ihm geworden wäre, nachdem sein Partner getötet worden war und die Flasche die einfachste und greifbarste Lösung aller Probleme zu sein schien.
Gedankenverloren berührte er das Abzeichen an seinem Hemd. Nur eine kleine Marke; etwas, das man, wie Clare einmal bemerkt hatte, in jedem Warenhaus erstehen konnte. Doch für ihn hatte dieses metallene Abzeichen eine besondere Bedeutung, die er sich noch nicht einmal selbst hätte erklären können.
Wenn er seine Dienstmarke
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