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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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merkwürdige Gefühl, sie habe ihm etwas geraubt. Ohne zu überlegen, schloß er seine linke Hand um seinen rechten Unterarm. Irgendwie hatte sie einen Teil von ihm vereinnahmt, nicht nur seinen Arm, seine Hand und seine Finger nachgebildet. Er konnte dieses Gefühl nicht erklären, ihm fehlten ganz einfach die richtigen Worte. Wenn es ihm eingefallen wäre, hätte er vielleicht den Ausdruck innerstes Wesen gewählt. Ihm war es, als habe sie ihm sein Wesen gestohlen und in diesem körperlosen Arm wieder auferstehen lassen.
    »Ist ganz okay.«
    Lachend legte ihm Clare eine Hand auf die Schulter. »Das muß mir wohl reichen. Vielen Dank, daß du mir geholfen hast.«
    »War ja keine große Sache.«
    »Für uns bedeutet es sehr viel«, korrigierte Jean-Paul. »Ohne dich hätte Clare diese Skulptur nicht erschaffen können. Wenn sie das nicht getan hätte, könnten wir sie nicht in unserer Galerie ausstellen, und die Konkurrenz würde nicht grün vor Neid werden.« Er grinste auf den Jungen herab. »Also, wie du siehst, stehen wir alle in deiner Schuld.«
    Ernie zuckte lediglich mit den Achseln, wobei der Anhänger an seinem Hals ins Tanzen geriet. Jean-Paul betrachtete ihn neugierig. Erst war er leicht überrascht, dann belustigt. Teenager, dachte er. Spielen mit Sachen herum, von denen sie nichts verstehen. Doch dann fiel sein Blick wieder auf Ernie, und sein Lächeln erstarb. Ein Teenager, richtig, bloß ein Junge, doch Jean-Paul hatte das unbehagliche Gefühl, daß dieser Junge vielleicht viel zuviel verstand.
    »Jean-Paul?« Angie trat zu ihm und legte eine Hand auf seinen Arm. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja doch.« Er zog seine Frau enger an sich. »Ich war nur in Gedanken. Einen interessanten Anhänger hast du da«, sagte er zu Ernie.
    »Mir gefällt er.«
    »Hoffentlich halten wir dich nicht auf.« Jean-Pauls Stimme
blieb freundlich, doch er legte seiner Frau beschützend den Arm um die Schulter.
    »Yeah.« Ernie zog die Lippen über seine Zähne. »Hab’ noch was zu erledigen.« Absichtlich berührte er leicht das Pentagramm, dann ballte er die Faust und machte mit erhobenem Zeige- und kleinem Finger das Bockszeichen. »Man sieht sich.«
    »Benutze ihn lieber nicht noch mal«, warnte Jean-Paul, der Ernie nachblickte.
    Clare hob fragend die Brauen. »Wie bitte?«
    »Als Modell. Nimm ihn nicht mehr. Er hat böse Augen.«
    »Also wirklich …«
    »Ich bin nicht verrückt.« Wieder lächelnd küßte Jean-Paul Clare auf die Wange. »Es heißt, daß meine Großmutter hellseherische Fähigkeiten besaß.«
    »Ich würde eher sagen, du hast zuviel Sonne gekriegt«, diagnostizierte Clare. »Und du brauchst einen Drink.«
    »Dazu würde ich nicht nein sagen.« Er warf einen letzten Blick über seine Schulter, dann folgte er Angie und Clare in die Küche. »Hast du auch ein paar Chips?«
    »Ich immer.« Clare bedeutete ihm, den Kühlschrank zu öffnen, während sie in einem Schrank nach einer Tüte Kartoffelchips kramte. »Jetzt hört euch doch bloß diese Fliegen an. Dem Gesumme nach zu urteilen, halten sie da draußen eine Versammlung ab.« Neugierig ging sie zu der Glastür und spähte hinaus. Der Hamburger, den sie mit solchem Genuß verspeist hatte, drohte ihr wieder hochzukommen. »Ach du lieber Gott!«
    »Clare?« Mit einem Satz war Angie an ihrer Seite. »Schätzchen, was …« Dann sah sie es selbst. Entsetzt preßte sie eine Hand vor den Mund und wandte sich ab. »Jean-Paul!«
    Dieser drängte sie bereits sanft beiseite. Irgend jemand hatte eine tote Katze, ein noch junges schwarzes Tier, auf die kleine Veranda hinter der Glastür geworfen. Dort, wo einst ihr Kopf gewesen war, floß ein dunkler Blutstrom über die Steine. Dicke schwarze Fliegen summten emsig auf dem Kadaver herum.
    Jean-Paul stieß eine Reihe gotteslästerlicher Flüche aus, ehe er den Frauen sein aschfahles Gesicht zudrehte. »Geht weg – rüber ins andere Zimmer. Ich kümmere mich darum.«
    »Schrecklich.« Clare schlang die Arme um den Körper und kehrte der Tür den Rücken zu. »Soviel Blut.« Ganz frisches Blut noch dazu, fiel ihr ein. Unwillkürlich schluckte sie hart. »Ein streunender Hund muß die Katze gerissen und hierhin geschleppt haben.«
    Jean-Paul dachte an den Anhänger um Ernies Hals und zog seine eigenen Schlüsse. »Der Junge könnte es getan haben.«
    »Der Junge?« Clare riß sich zusammen und reichte Jean-Paul einen Plastikmüllsack. »Ernie? Mach dich doch nicht lächerlich. Es war ein Hund.«
    »Er hatte ein

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