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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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verwundbarer war als jetzt? Diese Zeit gehörte den Geschöpfen der Nacht, die bei Tag schliefen oder sich verborgen hielten. Im Gebüsch raschelte etwas, dann erklang der triumphierende Schrei des Jägers, untermalt vom klagenden Quieken seines Opfers. Clare bemerkte den Schatten einer davongleitenden Eule, die ihre blutende Beute in den Klauen hielt. Sonst war außer dem unermüdlichen Gezirpe der Grillen nichts zu hören.
    Clare schlang die Arme fest um ihren Körper. Cam verfolgte bereits mit dem Strahl seiner Taschenlampe die Reifenspuren auf der Straße, die plötzlich scharf nach links wiesen.
    Anhand der Länge der Bremsspuren schätzte er, daß Clare nicht schneller als vierzig Meilen in der Stunde gefahren war. Und sie hatte offenbar rasch reagiert und versucht, nach links auszuweichen. Aufgrund der Beweise zu seinen Füßen und Clares Aussage kam er zu dem Schluß, daß die Frau Clare direkt ins Auto gelaufen war. Doch er behielt seine Meinung vorerst noch für sich.
    »Sie kam aus dem Wald?« bohrte er nach.
    »Genau hier.« Sie wies auf die Stelle. Ihre künstlerische Vorstellungskraft befähigte sie, sich die Ereignisse kristallklar vor Augen zu rufen. »Sie rannte, so eine Art schnelles Humpeln. Den Bruchteil einer Sekunde lang hielt ich sie für ein Reh, so, wie sie aus dem Wald lief und auf die Straße hetzte. Ich weiß noch, daß mein erster Gedanke war: Scheiße, gleich überfahre ich Bambi, und Bambi wird mir mein Auto demolieren. Ich erinnere mich daran, wie Blair, kurz nachdem wir beide den Führerschein gemacht haben, einen Rehbock angefahren hat. Der hat den Pinto zu Totalschaden verarbeitet.«
    Sie ließ die Arme sinken und schob die Hände in die Taschen. Darin befanden sich noch ein paar lose Münzen, mit denen sich ihre unruhigen Finger beschäftigen konnten. »Ich hab’ hart auf die Bremse getreten und das Steuer herumgerissen,
aber sie war so furchtbar schnell auf der Straße. Dann ist sie direkt ins Licht meiner Scheinwerfer geraten.«
    »Sag mir bitte, was genau du gesehen hast.«
    »Eine Frau, sehr schlank, mit langen blonden Haaren. Auf ihrem Gesicht, an ihrem Shirt und an ihren Hosen klebte Blut, so, als hätte ich sie voll erwischt.« Ihr Mund war so trocken, daß ihr das Sprechen schwerfiel. »Hast du mal eine Zigarette für mich?«
    Er zündete gleich zwei an und reichte ihr eine davon. »Was geschah dann?«
    Der alte Groll kehrte wieder zurück. Sie inhalierte einmal tief. »Was soll das, Cam? Ich habe dir doch schon alles haarklein erzählt.«
    »Ich möchte es gerne hier noch einmal hören.«
    »Ich habe sie angefahren.« Clare spie die Worte förmlich aus und entfernte sich einige Schritte von ihm. »Da war dieser fürchterliche dumpfe Schlag.«
    Cam richtete den Lichtstrahl wieder auf den Boden und folgte der Blutspur, die neben den Abdrücken endete, die Clares rechter Vorderreifen hinterlassen hatte.
    »War sie bei Bewußtsein?«
    Heftig zog sie an ihrer Zigarette. »Ja, sie hat mich gebeten, ihr zu helfen. Sie war völlig außer sich vor Angst. Wovor auch immer sie weggelaufen sein mag, sie hat sich so davor gefürchtet, daß sie alle Schmerzen vergessen hat.«
    »Sie hatte Schlüssel dabei.«
    »Wie bitte?«
    »Sie hatte Schlüssel in der Hosentasche.« Cam holte eine kleine Plastiktüte hervor, in der er den Schlüsselbund verwahrte. »Einer davon ist ein Autoschlüssel.« Er suchte mit den Augen die Straße ab. »Komm, wir fahren noch ein Stückchen.«
    Während der Fahrt hing er schweigend seinen Gedanken nach. Das Mädchen hatte weder eine Handtasche noch einen Rucksack, ja, noch nicht einmal einen Personalausweis bei sich gehabt. In einer kleinen Stadt wie Emmitsboro pflegten hübsche junge Blondinen nicht einfach
zu verschwinden. Er hätte wetten mögen, daß sie nicht aus dieser Gegend stammte, daher war er auch nicht sonderlich überrascht, als er den ungefähr eine Meile vom Unfallort entfernt am Straßenrand abgestellten Volvo entdeckte.
    Wortlos sah Clare ihm bei der Arbeit zu. Er benutzte sein Taschentuch, um keine Fingerabdrücke zu verwischen, als er das Handschuhfach öffnete und den Inhalt untersuchte.
    »Lisa MacDonald.« Er las den Namen von dem Kraftfahrzeugschein ab, ehe er zu Clare hochblickte. »Jetzt wissen wir wenigstens, wie sie heißt.«
    Cam fand auch eine Straßenkarte sowie eine detaillierte Wegbeschreibung von Philadelphia nach Williamsport, einer ungefähr fünfzehn Meilen von Emmitsboro entfernt gelegenen Stadt. Immer noch unter

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