Dunkle Herzen
und bilde dir bloß nicht ein, ich wäre aus der Übung. Ein falscher Zug, mein Sohn, und dann packe ich dich am Kragen.«
»Soll das eine Drohung sein?«
»Das ist eine Tatsache. Wenn dein Alibi nicht bis auf die Sekunde stimmt, dann unterhalten wir uns in meinem Büro weiter. Also beschaff dir lieber auch noch eines für Montag.« Seine Hand schloß sich um Ernies Pentagramm. »Noch etwas. Halte dich ja von Clare fern. Falls du das nicht tust, gibt es weder im Himmel noch in der Hölle einen Gott, der dich vor mir beschützt.«
Mit geballten Fäusten starrte Ernie Cam nach. Warte nur, dachte er grimmig. Nach dieser Nacht würde er alles haben, was sein Herz begehrte.
»Ich dachte, er liebt mich«, schniefte Sally in das Glas Cola, welches Clare ihr eingegossen hatte. »Aber er macht sich überhaupt nichts aus mir, er wollte bloß … er hat so scheußliche Dinge zu mir gesagt.«
»Im Streit sagen Leute oft Dinge, die ihnen hinterher leid tun.«
»Es war ganz anders.« Sally zupfte ein weiteres Taschentuch aus der Packung vor ihr und schneuzte sich. »Wir haben uns nicht gestritten. Er war noch nicht einmal wütend auf mich. Er sah mich nur an, als wäre ich ein besonders widerliches Insekt. Und dann sagte er … er sagte, ich sei ein Flittchen.«
»Ach, Schätzchen.« Clare nahm tröstend Sallys Hand. Ernie konnte sich auf ein Donnerwetter gefaßt machen,
wenn er ihr das nächste Mal über den Weg lief, dachte sie wutbebend. »So etwas tut weh, das weiß ich.«
»Er hat ja recht. Immerhin habe ich mit ihm geschlafen.« Sally verbarg ihr Gesicht hinter dem zerfledderten Taschentuch. »Es war das erste Mal. Das allererste Mal.«
»Das tut mir leid.« Clare, die selber den Tränen nahe war, nahm das Mädchen in die Arme. »Ich wünschte, ich könnte dir jetzt sagen, daß seine Worte völlig bedeutungslos waren, aber du wirst sicher noch eine Weile daran denken müssen. Aber daß du mit Ernie intim geworden bist, macht dich noch lange nicht zu einem Flittchen. So etwas liegt nun einmal in der Natur des Menschen.«
»Ich habe ihn geliebt.«
Sie sprach bereits in der Vergangenheit, registrierte Clare. Dem Himmel sei Dank für die Unverwüstlichkeit eines Teenagerherzens. »Ich weiß, daß du das gedacht hast. Aber wenn du dich einmal wirklich verliebst, dann erkennst du den Unterschied.«
Sally schüttelte so energisch den Kopf, daß die Haare flogen. »Ich werde mich nie wieder in einen Jungen verlieben. Ich will nicht, daß mir noch einmal jemand so weh tun kann.«
»Ich weiß, was du meinst.« Jede Frau wußte das, dachte Clare. »Das Problem dabei ist nur, daß du dich mit Sicherheit wieder verlieben wirst.« Sie nahm Sally bei den Schultern und hielt sie ein Stück von sich ab. Das Gesicht des Mädchens war vom Weinen verquollen, die Augen geschwollen und gerötet. Und sie war noch so jung, dachte Clare mitleidig, während sie ihr mit einem frischen Taschentuch die Tränen abtupfte. »Ich sollte dir wohl besser etwas sagen; etwas, was jede Frau über Männer wissen sollte.«
Sally schniefte. »Was denn?«
»Alle Männer sind Schweine.«
Unter Tränen kichernd, wischte sich Sally die Augen.
»Es stimmt«, beharrte Clare. »Sie werden zwar älter, sind aber immer noch Schweine. Der Trick besteht darin, jeglichen Kontakt zu dem Kerl zu meiden, der dich trotzdem
dazu bringt, ihn zu lieben, sonst bist du am Ende fünfzig oder sechzig Jahre verheiratet, ehe du merkst, daß du hereingelegt worden bist.«
Sally mußte nun doch lachen. Genau in diesem Moment kam Angie in die Küche. »Oh, entschuldigt bitte.« Als sie das tränenüberströmte Gesicht des Mädchens sah, wollte sie sich taktvoll zurückziehen.
»Nein, bleib nur hier.« Clare winkte die Freundin zu sich. »Angie, dies hier ist Sally. Wir beide sind einhellig der Meinung, daß die Welt ohne Männer ein angenehmerer Ort wäre.«
»Das steht außer Frage. Man kann sie nur zum Sex und zum Erschlagen von Ratten gebrauchen.«
»Und zum Einparken«, warf Clare ein, die sich freute, Sally erneut lachen zu hören.
»Zu Autoreparaturen.« Sally rieb sich mit beiden Händen die Tränen von den Wangen. »Mein Dad kann prima Autos reparieren.«
»Stimmt.« Clare überlegte einen Moment. »Aber eine Frau kann sich jederzeit ein Handbuch darüber zulegen.«
Sally strich seufzend mit der Fingerspitze über ihr Glas. »Jetzt komme ich mir richtig blöd vor, weil ich mich so dumm benommen habe.«
»Dafür gibt es überhaupt keinen Grund.«
Sally
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