Dunkle Herzen
merkwürdige Symbole, die in die Bäume geschnitzt worden waren. Aber hier?« Seine Augen begegneten denen Blairs. »Wir sind beide hier aufgewachsen. Wie ist es möglich, daß hier solche Dinge vor sich gehen, ohne daß wir davon Wind bekommen?«
»Zum größten Teil deshalb, weil diese Leute sehr, sehr vorsichtig sind.« Blair erhob sich und griff nach der Kaffeekanne. »Möchtest du auch noch etwas von diesem Hallowach?«
»Gerne.« Der Verdacht, der in ihm aufgekeimt war, als er das geschändete Grab entdeckte, hatte sich also bestätigt. »Aber die Sache mit Biff«, gab er zu bedenken. »Das war nachlässig. Nein«, verbesserte er sich, Blair fest in die Augen blickend. »Nicht nachlässig. Arrogant.«
»Ich sage dir, welche Schlußfolgerungen ich gezogen habe.« Blair schenkte Cam Kaffee nach. »Diese Leute denken und fühlen nicht wie andere Menschen.« Er ließ sich wieder auf den protestierend knarrenden Stuhl fallen.
Cam schob ihm einen Aschenbecher hin. »Faß doch bitte mal zusammen, was du herausbekommen hast.«
»Okay.« Blair lehnte sich zurück und faltete die Hände. »Ich glaube, Arroganz ist der richtige Ausdruck. Man sollte nicht dem Irrtum unterliegen, all diese Leute seien geistig nicht auf der Höhe. Es handelt sich keineswegs nur um Junkies, Psychopathen und rebellische Teenager. Einige dieser Artikel belegen, daß oft auch Ärzte, Anwälte und Collegedozenten in diese Kulte verstrickt sind. Einige von ihnen sind sogar ganz große Tiere.«
Soviel hatte Cam auch schon in Erfahrung gebracht. »Wie geraten solche Leute denn in die Fänge satanischer Vereinigungen?«
»Diese Gruppen sind hervorragend durchorganisiert. Die Mitglieder werden regelrecht angeworben. Auf viele Menschen übt es einen gewissen Reiz aus, etwas im verborgenen zu tun, zu einer Gruppe zu gehören, die den Normen der Gesellschaft abgeschworen hat.« Während er sprach, fürchtete Blair insgeheim, daß er diesen Zauber nur zu gut verstehen konnte. »Sie leben nur für ihr Vergnügen
– ein krankhaftes Vergnügen, wenn du so willst. Sie treiben’s mit Tieren oder sogar mit Kindern. Aber viele lockt einfach nur die Macht.« Er breitete einige Bögen aus. »Viele glauben noch nicht einmal daran, daß sie wirklich einen Dämon beschwören können, sondern wollen sich einfach nur den mit den Riten verbundenen Ausschweifungen hingeben. Sex. Drogen. Die Lust am Töten.« Er bemerkte, daß Cam ihn gespannt beobachtete. »Aus einigen dieser Artikel kannst du entnehmen, daß sie sich nicht immer damit zufriedengeben, Schafe oder Hunde zu töten. Manchmal kommt es viel schlimmer. Ausreißer geben zum Beispiel ideale Opfer ab.«
Cam fiel Carly Jamison ein. Alles paßte viel zu gut zusammen. Aber Biff? »Bringen sie auch ihre eigenen Leute um?«
»Warum nicht? Hier geht es nicht um einen kleinbürgerlichen Schützenverein, sondern um Menschen, von denen einige fest davon überzeugt sind, daß Satan ihnen jede Bitte gewähren wird, wenn sie ihm nur mit aller Kraft dienen. Alles ist vertreten, angefangen von blutigen Dilettanten bis hin zu hierarchisch aufgebauten Organisationen. Aber egal ob es sich um ein paar Halbwüchsige handelt, die schwarze Kerzen abbrennen und ein paar Formeln rückwärts aufsagen, oder um Leute wie LaVey – was sie verbindet, ist Machthunger. Letztendlich geht es nur um Macht.«
»Ich habe selbst einiges darüber gelesen«, sagte Cam. »Und aus den Fakten schließe ich, daß es verschiedene Arten des Satanskultes gibt. Die harmloseren Gruppen sind ganz groß darin, langwierige Zeremonien durchzuführen, lehnen aber rituelle Opfer gleich welcher Art entschieden ab.«
»Sicher.« Blair nickte und verbiß sich ein nervöses Lachen. Hier saßen sie nun, lebenslange Freunde, und diskutierten bei schlechtem Kaffee über Teufelsanbetung und Ritualmorde. »Es gibt aber auch andere. Ich bräuchte zwar noch mehr Informationen, aber so, wie ich das sehe, treibt hier die gefährliche Sorte ihr Unwesen. Diese Leute suchen sich aus einschlägigen Büchern und überlieferten Traditionen
das zusammen, was ihnen in den Kram paßt, mischen alles durcheinander und brauen sich so ihre eigenen Regeln und Rituale zusammen. Sie berufen sich auf graue Vorzeiten, als man die Götter nur mittels Blutopfer gnädig stimmen konnte. Sie suchen kein Rampenlicht, sondern operieren im verborgenen. Aber sie erkennen Gleichgesinnte.«
»Wo finden wir diese Gruppe?«
»Ich fürchte«, antwortete Blair, dem nun nicht mehr zum Lachen
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