Dunkle Herzen
sich in dem wohligen Gefühl, nicht – wie ihre weniger betuchten Nachbarn – auf den Pfennig schauen zu müssen. Daher unterließ sie es auch häufig, die Preisschilder von der Ware zu entfernen, und hoffte, daß einige ihrer Gäste einen verstohlenen Blick auf das Etikett an einer Vase oder einer Porzellanfigur warfen. Sie selbst hatte in dieser Hinsicht, war sie irgendwo zu Gast, keinerlei Hemmungen.
Min fühlte sich geradezu verpflichtet, ihren Wohlstand zur Schau zu stellen. Schließlich mußte sie als Frau des Bürgermeisters einen gewissen Lebensstandard aufrechterhalten,
und jeder wußte, daß James und sie das vermögendste Paar am Ort waren. Und ihr James war ihr ein ergebener Gatte. Hatte er ihr nicht noch letztes Jahr zu Weihnachten ein Paar prachtvolle Diamantohrclips geschenkt? Eineinhalb Karat jeder, die Splitter mitgerechnet. Min legte sie extra jeden Sonntag zum Kirchgang an.
Bei der Messe achtete sie dann peinlich darauf, daß ihr Haar ihr nicht über die Ohren fiel, und neigte, während sie feierlich die Choräle mitsang, immer wieder den Kopf zur Seite, damit sich das Licht in den Steinen brach und der Neid der Gemeinde ihr gewiß war.
Ihr Haus war mit Möbeln überladen. Sie machte sich nichts aus Antiquitäten, mochten sie auch noch so kostbar sein. Nein, für Min kamen nur funkelnagelneue Stücke in Frage, so daß sie die erste war, die sie in Gebrauch nahm. Selbstverständlich kaufte sie nur Markenartikel und ließ keine Gelegenheit aus, im Kreis ihrer Freunde mit Designernamen um sich zu werfen.
Einige der weniger begüterten Mitglieder der Gemeinde pflegten zu sagen, es sei doch ein Jammer, daß sie nicht über weniger Geld und dafür etwas mehr Geschmack verfüge.
Doch Min erkannte den giftigen Hauch des Neides, wenn er ihr entgegenschlug, und genoß ihn in vollen Zügen.
Sie liebte ihr weitläufiges Backsteinhaus in der Laurel Lane von ganzem Herzen und hatte jeden einzelnen Raum nach ihrem Geschmack gestaltet, angefangen von dem Wohnzimmer mit dem pink- und lavendelfarben geblümten Sofa und den dazu passenden Brokatvorhängen bis hin zu dem rosafarben gekachelten Badezimmer. Überall fanden sich die kitschigen Porzellanfiguren; Tänzerinnen in wallenden Ballkleidern und befrackte Kavaliere, die ihr so gut gefielen. Min besaß nur Plastikblumen, aber diese prunkten in Keramikübertöpfen in Form von niedlichen wolligen Schafen oder putzigen Häschen.
Doch ihre Kreativität erstreckte sich nicht nur auf das Innere des Hauses, beileibe nicht. Da vielen Anwohnern von Emmitsboro nie das Privileg zuteil werden würde, Gast im
Hause Atherton zu sein, hielt es Min für ihre Pflicht, sie wenigstens von außen an all dem Prunk teilhaben zu lassen.
Auf der Veranda vor dem Haus stand ein großer, von einem gestreiften Sonnenschirm überdachter Gartentisch mit passenden Stühlen und einer Liege. Da Haustiere nur Schmutz machten, hatte Min sie durch Plastik- und Gipsfiguren ersetzt, so daß der Vorgarten von Enten, Eichhörnchen und Schafen nur so wimmelte.
Direkt vor dem Haus hatte sie ihren ganzen Stolz, einen gußeisernen Negerjungen in roter Livree, auf dessen schwarzem Gesicht ein dümmliches Grinsen lag, aufgestellt. Davey Reeder hatte, als er einmal eine Reparatur bei ihnen durchführte, seine Lunchtüte in der ausgestreckten Hand der Statue deponiert, was Min alles andere als witzig fand.
Drinnen wie draußen blitzte ihr Heim vor Sauberkeit, und überall herrschte peinliche Ordnung. Für den heutigen Anlaß, die monatliche Versammlung des Frauenvereins, hatte sie sogar eigens beim Floristen ein großes Liliengesteck für die Festtafel bestellt und es auch noch aus eigener Tasche bezahlt. Aber selbstverständlich gedachte sie dafür zu sorgen, daß ihr Steuerberater die Ausgabe absetzte.
Für Geldverschwendung hatte Min nichts übrig.
»James! James, komm doch bitte einmal her und sieh dir das an. Du weißt, wieviel mir an deiner Meinung liegt.«
Atherton kam, eine Kaffeetasse in der Hand, lächelnd aus der Küche ins Wohnzimmer geeilt und musterte seine Frau in ihrem neuen pinkfarbenen Kleid und dem geblümten Bolerojäckchen. Sie trug ihre Diamanten und hatte sich bei Betty das Haar waschen und hochtoupieren und sich Finger- und Fußnägel lackieren lassen. Ihre pinkfarbenen Zehen lugten vorn aus ihren hochhackigen Sandalen heraus. Atherton küßte sie leicht auf die Nasenspitze.
»Du siehst bezaubernd aus, Min. Wie immer.«
Sie kicherte und versetzte ihm einen
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