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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Chirurgen unterhalten. Die zweite Operation war glatt verlaufen, und Lisas Bein steckte in dem üblichen weißen Gipsverband, den ihre Eltern und Freunde sowie der größte Teil des Stationspersonals bereits unterschrieben hatten.
    Diese Woche noch würde sie nach Philadelphia zurückkehren können, aber ihre Karriere als Ballerina war beendet.
    Dr. Su war nicht dazu zu bewegen gewesen, auch nur einen Millimeter von seiner Prognose abzuweichen. Mit entsprechender Therapie – und wenn sie sich sehr schonte – würde Lisa wieder normal laufen und innerhalb vernünftiger Grenzen auch tanzen können, aber ihr Knie würde die Belastungen des Ballettanzes nicht verkraften.
    Clare saß in ihrem vor ihrem Haus geparkten Wagen und starrte auf die Skulptur in der Einfahrt, die langsam Gestalt annahm.
    Ach, verdammt!
    Sie blickte auf ihre Hände hinab, öffnete und schloß sie langsam, dann drehte sie sie nach allen Seiten. Wie würde ihr zumute sein, wenn sie nie wieder arbeiten, nie wieder einen Schweißbrenner, einen Meißel oder eine Feile halten könnte?
    Ausgebrannt würde sie sich fühlen. Leer. Tot.
    Lisa hatte mit schmerzumflorten Augen im Bett gelegen, doch ihre Stimme hatte einen stählernen Klang gehabt.
    »Ich glaube, ich habe es die ganze Zeit schon gewußt«, hatte sie gesagt. »Manchmal ist es leichter, wenn man Gewißheit hat; besser, als wenn man immer noch im stillen hofft.«
    Nein, dachte Clare, als sie mit einem Satz aus dem Wagen sprang, ein Mensch ohne Hoffnung war bereits besiegt. Unter der Skulptur blieb sie stehen. Bis jetzt existierte erst
die Silhouette der Frau, die sie einmal darstellen sollte; eine Frau mit hocherhobenen schlanken Armen, die Anmut und Grazie ausdrückten. Doch Clare sah vor ihrem geistigen Auge bereits die fertige Statue vor sich, und sie trug Lisas Gesichtszüge.
    Das wäre eine Idee, überlegte Clare. Sie könnte dieser Figur Lisas Gesicht, ihre Anmut und ihren Mut verleihen. Die Augen blicklos auf den Boden geheftet, ging sie zum Haus.
    Das Telefon klingelte, doch sie achtete nicht darauf. Sie wollte mit niemandem sprechen, schon gar nicht jetzt. Ohne sich die Mühe zu machen, das Licht anzuknipsen, ging sie durch die Küche ins Wohnzimmer, nur noch beherrscht von dem einen Wunsch, sich in das süße Vergessen des Schlafes zu flüchten.
    »Ich habe auf Sie gewartet.«
    Ernie, ein Schatten inmitten des Dunkels, erhob sich und blieb abwartend stehen.
    Nach dem ersten Schreck beruhigte sich Clare etwas und blickte ihn streng an, wie eine Lehrerin, die einen ungezogenen Schüler tadelt. »Normalerweise wartet man draußen, bis man hereingebeten wird.« Sie streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus.
    »Nicht.« Mit einer raschen Bewegung legte er eine feuchte, klamme Hand über die ihre. »Wir brauchen kein Licht.«
    In Clares Ärger schlich sich eine Spur von Furcht. Sie dachte daran, daß die Fenster offenstanden und einige laute Schreie die Nachbarn alarmieren würden. Und schließlich war er ja noch ein halbes Kind. Ein sexuell frustriertes, verstörtes Kind zwar, aber immerhin ein Kind.
    Kein Mörder. Sie konnte es einfach nicht glauben. Wagte es nicht.
    »Na gut, Ernie.« Verstohlen bewegte sich Clare so, daß die Couch zwischen ihnen stand. »Was soll dieser Überfall bedeuten?«
    »Sie waren für mich bestimmt. Schon wie Sie mich angesehen haben!«
    »Ich habe dich angesehen, wie man einen Freund anschaut, weiter nichts.«
    »Sie waren für mich bestimmt«, wiederholte er. Sie war seine einzige Hoffnung, und vielleicht auch seine letzte. »Aber Sie haben sich Rafferty in die Arme geworfen, sich an ihn verschenkt.«
    Das Mitleid, das in ihr aufgestiegen war, kühlte sich merklich ab. »Meine Beziehung zu Cam geht niemanden etwas an. Es ist einzig und allein meine Sache.«
    »Nein. Sie gehören mir.«
    »Ernie.« Geduld, mahnte sie sich. Geduld und Logik waren gefordert. »Ich bin zehn Jahre älter als du, und wir kennen uns erst seit ein paar Monaten. Außerdem wissen wir beide, daß ich nie irgend etwas gesagt oder getan habe, was dich auf den Gedanken hätte bringen können, ich wollte mehr von dir als bloße Freundschaft.«
    Langsam schüttelte er den Kopf, seine dunklen Augen hefteten sich auf ihr Gesicht. »Sie sind zu mir geschickt worden. Mein Wunsch wurde mir gewährt.« Ein weinerlicher Ton schlich sich in seine Stimme und besänftigte Clare ein wenig.
    »Ernie, du weißt doch selbst, daß das nicht wahr ist. Du hast dir da ein Traumbild aufgebaut, das in der

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