Dunkle Herzen
Hüfte. »Ich bin immer verfügbar.«
Die Sache stank zum Himmel, fand Cam. Er hatte aus D.C. alle verfügbaren Akten über den Haitianer erhalten. René Casshagnol alias René Casteil alias Robert Castle hatte zwar ein ellenlanges Vorstrafenregister, aber nur einmal wegen Rauschgiftbesitz gesessen, obwohl er unzählige
Male festgenommen und verhört worden war. Die Liste der Straftaten, die ihm zur Last gelegt wurden, reichte von Hehlerei bis hin zu Waffenschmuggel, aber der Mann war clever genug, um sich jedesmal aus der Affäre zu ziehen. Im Moment machte er Urlaub in Disneyland, und es bedurfte mehr als nur der Aussage einer Hure, um ihn festzunageln.
Warum sollte ein großes Tier der Drogenbranche eine Ausreißerin entführen und ermorden? Wegen seiner irregeleiteten religiösen Überzeugung? Möglich, sinnierte Cam. Er konnte das Naheliegende nicht einfach ignorieren. Aber hätte ein Mann von der Erfahrung des Haitianers einen so schwerwiegenden Fehler wie die Exhumierung der Leiche begangen, nur um jemand anderen in Verdacht zu bringen? Dafür kannte sich ein Mann wie René mit den Ermittlungsmethoden der Polizei zu gut aus.
Trotzdem sah Cam einen Lichtblick. Seine nächste Aufgabe war es, die Verbindung zwischen Mona und Carly Jamisons Mörder zu finden.
Er schlug einen Schnellhefter auf und vertiefte sich in den Inhalt. Es war bereits Mitte Juni, und die Wochen gingen viel zu schnell ins Land. Gerade als er den Hefter wieder zuklappte, kam Bob Meese herein.
»Hallo, Cam.«
»Bob, was kann ich für dich tun?«
»Ich bin da auf etwas Seltsames gestoßen.« Mit dem Zeigefinger kratzte sich Bob an seiner beginnenden Glatze. »Du weißt ja, daß ich deiner Mama einen Haufen Zeug abgekauft habe – Möbel, ein paar Lampen, Porzellan. Sie ist schon auf dem Weg nach Tennessee, stimmt’s?«
»Gestern ist sie abgefahren, mit dem Zug. Ist irgendwas mit den Sachen nicht in Ordnung?«
»So kann man es eigentlich nicht nennen. Ich hab’ die große massive Kommode letztens aufpoliert, hab’ schon einen Interessenten dafür. Ein sehr schönes Stück, Eiche, so um 1860, würde ich sagen.«
»Ein Familienerbstück.«
»Na ja, man mußte schon ein bißchen was daran tun.«
Bob trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Er wußte, wie empfindlich manche Menschen auf den Verkauf von Familienbesitz reagierten, aber er hatte gute Gründe, diese Posse weiterzuspielen. »Wie dem auch sei, ich nahm die Schubladen heraus, um sie abzuschmirgeln, und dabei stieß ich auf das hier.« Er zog ein kleines Büchlein aus der Tasche. »Ich wußte nicht recht, was ich davon halten sollte, also brachte ich es dir.«
Ein Sparbuch, stellte Cam fest, als er es untersuchte. Ausgestellt von einer Bank in Virginia. Ungläubig starrte er auf die Namen der Kontoinhaber.
Jack Kimball oder E.B. Stokey. Die erste Einlage belief sich auf sage und schreibe fünfzigtausend Dollar, die im Jahr vor Kimballs Tod eingezahlt worden waren. Das Jahr, in dem das Baugrundstück verkauft worden war. Auch nach Kimballs Tod hatte es noch weitere Einzahlungen und Abhebungen gegeben, die letzte in dem Monat, in dem Biff gestorben war.
Bob räusperte sich. »Ich wußte gar nicht, daß Jack und Biff geschäftlich miteinander zu tun hatten.«
»Aber es sieht ganz so aus, oder nicht?« Der Kontostand war bis zu der stolzen Summe von einhunderttausend Dollar angewachsen und dann nach der letzten Abhebung auf weniger als fünftausend gesunken. »Danke, daß du mir das Buch vorbeigebracht hast, Bob.«
»Ich hielt es für das beste.« Bob strebte zur Tür, er hatte es eilig, die Neuigkeiten zu verbreiten. »Wenn Biff noch am Leben wäre, dann würde er jetzt vermutlich bis zum Hals in der Scheiße stecken.«
»Da kannst du Gift drauf nehmen.« Cam blickte hoch und musterte den Antiquitätenhändler nachdenklich. »Ich nehme an, es würde nichts nützen, wenn ich dich bitte, diese Angelegenheit für dich zu behalten?«
Bob besaß den Anstand zu erröten. »Na ja, Cam, du weißt doch, daß ich den Mund halten kann, wenn es sein muß, aber Bonnie Sue stand direkt neben mir, als ich das Buch fand. Keine Ahnung, wem sie es schon erzählt hat.«
»War nur ein Gedanke«, murmelte Cam. »Trotzdem vielen
Dank.« Er lehnte sich zurück, tappte mit dem Buch gegen seine Hand und fragte sich, ob er es Clare zeigen sollte.
Clare kam erst in der Abenddämmerung nach Hause; müde, verärgert und frustriert. Sie hatte sich fast eine ganze Stunde lang mit Lisas
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