Dunkle Herzen
dem machen?«
»Ab ins Loch mit ihm.« Röchelnd wie ein alter Mann stieß Cam den Atem aus. »Sperr ihn nur ein.« Mit einer Hand stützte er sich haltsuchend am Billardtisch ab. Jetzt fühlte er auch langsam die Schmerzen, jeden einzelnen Schlag, und eine brennende, würgende Übelkeit stieg in ihm hoch. »Wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, tätlichen Angriffs auf einen Beamten, Ruhestörung und Erregung öffentlichen Ärgernisses.«
Bud räusperte sich. »Ich kann ihn auch nach Hause bringen, wenn du willst. Weißt du …«
»Einsperren, hab’ ich gesagt.« Cam sah hoch und bemerkte, daß Sarah ihn beobachtete. In ihren dunklen Augen stand eine Art widerwilliger Bewunderung. »Nimm die Aussage von Less Gladhill und den anderen Zeugen auf.«
»Soll ich jemanden kommen lassen, der dich nach Hause fährt?«
»Nein.« Cam kickte ein zerbrochenes Glas beiseite und richtete den Blick dann auf die zusammengedrängte Menge. In seinen Augen leuchtete ein kaltes Licht, welches die Männer, die ihm eben noch applaudiert hatten, jäh verstummen ließ. »Der Spaß ist vorüber.«
Er wartete, bis sich der Raum geleert hatte, dann verließ er die Bar und fuhr zur Farm seiner Eltern, um seiner Mutter mitzuteilen, daß ihr Mann diese Nacht nicht nach Hause kommen würde.
Sechstes Kapitel
Es war kurz nach Mittag, als Cam mit seiner Harley in Clares Auffahrt einbog. Jeder Muskel seines Körpers schmerzte. Er hatte lange in seinem Whirlpool gelegen, Eispackungen aufgelegt und schließlich drei Nuprin geschluckt, doch
die Schläge, die er hatte einstecken müssen, und die schlaflose Nacht forderten ihren Tribut.
Noch schlimmer war für ihn die Reaktion seiner Mutter gewesen. Sie hatte ihn nur mit ihren großen, traurigen, erschöpften Augen angeblickt und ihm – wie schon so oft – das Gefühl vermittelt, daß er irgendwie an der Trunksucht seines Stiefvaters und an der Schlägerei die Schuld trug.
Daß Biff mindestens bis Montag – bis der Richter eine Entscheidung gefällt hatte – seine Wunden im Gefängnis lecken mußte, war nur ein schwacher Trost.
Er stellte den Motor ab und lehnte sich gemütlich über den Lenker, um Clare bei der Arbeit zuzuschauen.
Das Garagentor stand weit offen. Auf einem großen mit Ziegelsteinen abgedeckten Arbeitstisch thronte eine hohe Metallstatue. Clare beugte sich gerade darüber, und während sie mit dem Schweißbrenner hantierte, ging ein Funkenregen über sie nieder.
Cams Reaktion erfolgte unverhofft und für ihn selbst verblüffend. Eine Welle glühenden Verlangens, so heiß wie die Flamme des Brenners, schoß durch seinen Körper.
Als er sich unter Schmerzen von dem Motorrad schwang, schalt er sich einen Narren. Eine Frau in Arbeitsstiefeln und einem weiten Overall wirkte alles andere als sexy. Ihr Gesicht wurde größtenteils von einer dunklen Schutzbrille verdeckt, und das Haar hatte sie unter eine lederne Kappe gestopft. Zwar sah Cam es gerne, wenn Frauen Lederkleidung trugen, aber Clares dicke Lederschürze ließ sich nun wahrlich nicht mit einem engen Minirock vergleichen.
Er legte seinen Helm auf den Sattel und ging in die Garage.
Clare ließ sich nicht stören. Aus einem neuen tragbaren Stereorekorder dröhnte Musik. Beethovens Neunte wetteiferte mit dem lauten Zischen des Brenners. Cam schlich hinüber und drehte die Musik leiser, da er das für den sichersten Weg hielt, sie auf sich aufmerksam zu machen.
Clare warf ihm einen flüchtigen Blick zu. »Eine Minute noch.«
Aus einer Minute wurden fünf, ehe sie sich aufrichtete,
den Brenner ausschaltete und mit einem geschickten Griff die Flasche zudrehte.
»Ich mußte ihr heute nur noch den letzten Schliff geben.« Clare atmete tief durch und schob ihre Schutzbrille hoch. Ihre Fingerspitzen vibrierten noch vor ungenutzter Energie. »Was sagst du dazu?«
Gemächlich schritt Cam um die Statue herum und betrachtete sie von allen Seiten. Eine furchterregende Arbeit, und doch irgendwie faszinierend. Sie wirkte menschlich … und wieder nicht. Was mochte Clare nur bewogen haben, etwas dermaßen Beunruhigendes zu schaffen?
»Nun, ich möchte sie nicht in meinem Wohnzimmer stehen haben, dann hätte ich nämlich keine ruhige Minute mehr. Sie kommt mir vor wie ein metallgewordener Alptraum.«
Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Clare nickte zustimmend, während sie die Kappe abnahm. »Mein gelungenstes Werk seit sechs Monaten. Angie wird Freudentänze aufführen.«
»Angie?«
»Sie kümmert sich um
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