Dunkle Herzen
zu vertreiben.
Den Fernseher oder das Radio einzuschalten wagte sie nicht, aus Angst, das Geräusch würde Jane Stokey stören. Bücher waren nirgendwo zu sehen, also tigerte sie unruhig auf und ab, bis eine Kombination aus Sorge und Langeweile sie dazu trieb, nach oben zu schleichen, um nach Jane zu schauen.
Diese schlief tief und fest, das tränenüberströmte Gesicht in die Kissen gepreßt. Das Beruhigungsmittel hatte seinen Zweck erfüllt. Clare ließ sie alleine und wanderte durch das Haus.
Überall herrschte peinliche Sauberkeit. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Jane Tag für Tag schrubbte, fegte und Staub wischte, sich Raum für Raum vornahm und, sobald sie oben fertig war, unten wieder von vorne anfing. Eine
deprimierende Vorstellung. Vor Biffs Arbeitszimmer blieb sie zögernd stehen.
Du hast auch so deine Probleme mit dem Tod, was, Clare? dachte sie und zwang sich, über die Schwelle zu treten.
Ganz offensichtlich war es Jane nicht gestattet, sich hier mit Staubtuch und Besen auszutoben. An der Wand hing ein Hirschkopf, von dessen Geweih Spinnweben herabbaumelten. Ein glasäugiges Eichhörnchen hockte auf einem Baumstumpf, daneben breitete ein Fasan seine staubigen Schwingen aus. Einzig ein mit Flinten und Gewehren gutgefüllter Waffenständer blitzte makellos sauber. Clare verzog vor Abscheu das Gesicht.
Auf einem Tisch in der Ecke standen ein überquellender Aschenbecher und drei Dosen Budweiser. Daneben entdeckte sie eine mit einer Sammlung auf Hochglanz polierter Messer gefüllte Vitrine. Ein Hirschfänger, ein Jagdmesser, eines mit gebogener Klinge und seltsamerweise auch ein wunderschöner antiker Dolch mit emailliertem Griff.
Sie fand auch einen Stapel Pornohefte, die von der harten Sorte. Dem Playboy war der alte Biff offenbar längst entwachsen.
Überrascht bemerkte sie ein gutgefülltes Bücherregal an der Wand. Biff Stokey hatte auf sie nicht unbedingt wie eine Leseratte gewirkt. Dann erkannte sie an den Buchrücken und Schutzumschlägen, daß es sich ausschließlich um harte Pornographie und besonders grausame Mordgeschichten handelte. Hier und da stand ein vereinzelter Western dazwischen. Na, vielleicht würden ihr Höllische Söldner die nächste Stunde vertreiben. Als sie das Buch aus dem Regal zog, entdeckte sie ein weiteres dahinter.
Die Satanische Bibel . Netter Lesestoff, überlegte Clare. Biff Stokey war wirklich ein reizender Zeitgenosse gewesen.
Sie stellte beide Bücher ins Regal zurück und wischte sich die Finger an ihren Jeans ab. Erleichtert vernahm sie ein heftiges Klopfen unten an der Haustür.
Nun, da Mrs. Finch und Mrs. Negley sie abgelöst hatten, saß sie vor Cams Büro im Auto und fragte sich, was um aller Welt sie ihm sagen sollte.
Da ihr nichts einfiel, stieg sie aus dem Wagen und hoffte, daß sich die Dinge von selber regeln würden.
Sie fand Cam an seinem Schreibtisch, wo er mit rasender Geschwindigkeit im Zweifingersystem auf seine Schreibmaschine einhackte. Im Aschenbecher neben ihm qualmte eine Zigarette, und ein angeschlagener Keramikbecher sah aus, als könne er Kaffee enthalten.
An der verkrampften Haltung seiner Schultern konnte sie seine innere Anspannung ablesen. Wenn jener Kuß auf der Veranda nicht gewesen wäre, dann wäre es ihr nicht schwergefallen, sich hinter ihn zu stellen und ihm die verspannten Schultern zu massieren. Doch ein Kuß, besonders diese Art von Kuß, änderte die Lage. Ob zum Guten oder zum Schlechten, darüber mußte sie sich erst noch klarwerden.
Also ging sie zu ihm hinüber, setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs und griff nach seiner vergessenen Zigarette. »Hi.«
Seine Finger hielten kurz inne, dann fuhr er mit Tippen fort. »Hi.« Schließlich unterbrach er seine Arbeit, um dem Drehstuhl einen Stoß zu geben, so daß er sie ansehen konnte. Sie verströmte eine Frische, die er gerade jetzt dringend brauchte. Doch in ihren Augen stand Erschöpfung und Mitgefühl geschrieben. »Es tut mir leid, daß ich dich in diese Angelegenheit mit reingezogen habe.«
»Das hast du doch gar nicht«, berichtigte sie, an seinem Kaffee nippend. Er war eiskalt. »Ich hab’ mich eingemischt.«
»Wie geht es ihr?«
»Der Doc hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben, jetzt schläft sie. Mrs. Finch und Mrs. Negley sind vorbeigekommen. Sie bleiben bei ihr.«
»Gut.« Cam rieb sich den schmerzenden Nacken. Seufzend drückte Clare die Zigarette aus und ging um den Schreibtisch herum, um seine Schultern zu massieren.
Dankbar lehnte
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