Dunkle Herzen
Gründe zu verstehen, damit ich …«
»Ihm vergeben kann«, meinte Crampton sanft, und Clare schloß die Augen.
»Ja.« Das war das einzige, was sie bis jetzt noch nie offen zugegeben, ja, sich noch nicht einmal vor sich selbst eingestanden hatte, egal, wie oft Dr. Janowski nachgehakt und gebohrt hatte. Aber hier, gegenüber dem ältesten Freund ihres Vaters, kam ihr dieses Geständnis leichter über die Lippen. »Letzte Nacht, als ich nach oben gegangen bin, ist mir klargeworden, daß ich ihm nie vergeben habe, und ich habe solche Angst, daß es mir nie gelingen wird.«
Crampton schwieg einen Moment, sog den Duft seiner Blumen auf, lauschte dem Vogelgezwitscher und dem leichten Rascheln der Blätter, durch die der Wind strich. »Jack und ich haben nicht nur über Torf und Blattläuse gesprochen, wenn wir zusammensaßen. Er hat mir oft erzählt, wie stolz er auf dich und Blair war. Aber trotzdem warst du sein erklärter Liebling, so, wie du vermutlich weißt, Blair Rosemarys Augapfel ist.«
»O ja.« Clares Lippen krümmten sich ein wenig. »Das weiß ich.«
»Er wollte nur das Beste für dich. Am liebsten hätte er dir die ganze Welt zu Füßen gelegt.« Crampton seufzte traurig, als die Erinnerungen ihn überwältigten. »Vielleicht wollte er zuviel und hat deshalb Fehler gemacht. Aber das eine sage ich dir, Clare: Was auch immer er getan hat, ob es nun richtig oder falsch war, der Grund dafür war immer in seiner Liebe zu dir zu suchen. Verurteile ihn nicht für seine Schwäche, denn du kamst für ihn immer an erster Stelle.«
»Ich will ihn doch gar nicht verurteilen. Aber auf mich stürmen so viele Erinnerungen ein, daß ich meine, darin zu ertrinken.«
Crampton musterte sie nachdenklich. »Man kann die Zeit nicht zurückdrehen, auch wenn man es noch so gerne möchte.«
»Weißt du, eine Rückkehr in die Vergangenheit richtet oft mehr Schaden an, als sie nützt.«
»Das werde ich herausfinden.« Clare blickte zur Seite, auf den sorgfältig gepflegten Rasen. »Aber ich kann noch nicht wieder nach vorne schauen, Doc. Nicht, ehe ich nicht alles weiß.«
Elftes Kapitel
Keine Macht der Welt konnte Jane Stokey davon abhalten, einen offenen Sarg zu bestellen. Ihr Mann war gestorben, und es war die Pflicht aller, die ihn gekannt hatten, noch einen letzten Blick auf ihn zu werfen, um sich an ihn zu erinnern.
»Ein bösartiger Dreckskerl war er«, kommentierte Oscar Roody, an seinem Krawattenknoten zupfend. »Der alte Biff hat doch mit Gott und der Welt Streit angefangen, sobald er ein paar Bier intus hatte.«
»Soviel steht mal fest.« Less nickte weise, als er Biff ins Gesicht blickte. Hoffentlich schmorst du in der Hölle, du
Bastard, dachte er. »Chuck versteht ja wirklich was von seinem Geschäft, stimmt’s? Ich hab’ gehört, daß Biff ziemlich übel zugerichtet worden ist, aber schau ihn dir jetzt mal an. Liegt da, als würde er ein Nickerchen halten.«
»Da sind vermutlich Tonnen von Make-up für draufgegangen.« Oscar zog ein Tuch aus der Tasche und schneuzte sich kräftig. »Wenn du mich fragst, ich find’s gespenstisch, ’nen Toten zu schminken.«
»Wenn ich damit so viel verdienen würde, daß ich mir ’nen eigenen Pool leisten kann, dann tät ich’s auch. Es heißt, daß ihm jeder einzelne Knochen im Leib gebrochen worden wäre.« Less’ Blick glitt an Biffs Körper herab. Er suchte nach sichtbaren Beweisen. »Sehen tut man aber nichts.«
Jane saß bereits auf dem Stuhl vor den Sitzreihen, die Griffith aufgestellt hatte. Da Biff kein Mitglied der Kirche gewesen war, würde die Trauerfeier hier im Bestattungsinstitut abgehalten werden, wobei Chuck das Amt des Redners übernahm. Sie trug wieder das gestärkte schwarze Kleid, hatte sich sorgfältig frisiert und nahm mit versteinertem Gesicht die Beileidsbezeugungen und die gestammelten Worte des Mitgefühls entgegen.
Einer nach dem anderen gingen die Leute an Biff vorbei, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
»Die vielen Male, wo der versucht hat, seine fette Hand unter meinen Rock zu schieben, kann ich schon gar nicht mehr zählen.« Sarah Hewitt schnitt dem Toten eine Grimasse.
»Sarah, bitte.« Hochrot im Gesicht blickte sich Bud verstohlen nach allen Seiten um. Hoffentlich hatte niemand Sarahs verächtliche Bemerkung gehört. »Du kannst doch hier nicht so reden.«
»So ein Quatsch, daß man über Tote nichts Schlechtes sagen soll. Wenn einer am Leben ist, kannst du über ihn sagen, was du willst, aber kaum ist er tot, beteuern
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