Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
ich lasse seinen Arm los. Ich bewundere ihn dafür, dass er sich nicht den Unterarm reibt, denn ich weiß, dass der verteufelt wehtun muss.
Ich schiebe seine Waffe in meinen Hosenbund und löse meine eigene aus dem Halfter. »Wie weit ist es noch?«
Sein Blick wird klarer. »Ein knapper Kilometer. Am Ende dieses Pfades ist ein kleines Felsenbecken. Um die Jahreszeit ist da sicher niemand. Das Wasser ist zu kalt.«
Ich nicke. »Hast du dich jetzt beruhigt?«
»Ich werde mich beruhigen, wenn ich meine Tochter wiederhabe.« Seine Stimme klingt belegt vor Sorge.
»Dann gehen wir.«
Wir laufen schnell und leise einen Trampelpfad entlang, der unsere Schritte dämpft. Der Pfad windet sich durch dichte Vegetation, die uns ebenso verbirgt wie unsere Beute. Als ich Wasser in ein kleines Becken plätschern höre, weiß ich, dass wir nah dran sind.
Ich lege den Zeigefinger an die Lippen und flüstere: »Wo?«
Dan zeigt nach vorn und rechts.
Doch ehe ich irgendetwas tun kann, ruft eine höhnische Stimme aus der angezeigten Richtung: »Dan? Bist du das? Komm raus, na los, komm schon. Sylvie braucht dich.«
Ein Wimmern und ein Aufschrei sind zu hören, als hätte er Sylvie am Haar gerissen oder sie gezwickt, damit sie einen Laut von sich gibt.
Er hat nach Dan gerufen, aber niemand anderen erwähnt. Ich ziehe Dans Kopf zu mir herab, damit ich ihm ins Ohr flüstern kann: »Geh raus. Ich bin dicht hinter dir. Halte ihn am Reden.«
Dan nickt. Sein Gesicht ist nicht mehr kantig vor Zorn. Das einzige Gefühl, das sich nun dort abzeichnet, ist Sorge.
»Wir holen Sylvie da raus.«
Ich bin nicht sicher, ob er mich gehört hat. Er geht voran und ruft: »Sylvie, Schätzchen, ich bin es, Dad. Wo bist du, Kleine?«
Eine leise Stimme antwortet, gut dreißig Meter vor mir. »Hier. Am Becken.«
Sie verstummt abrupt, und an ihrer Stelle ruft die Männerstimme verächtlich: »Ja, Daddy. Am Becken. Komm doch rüber. Wir wollen doch nicht ohne dich mit der Party anfangen.«
Ich gebe Dan ein paar Schritte Vorsprung, weiche dann seitlich vom Pfad ab und lasse mich von der Stimme leiten. Ich habe vor, das Becken zu umrunden, bis ich hinter Sylvie und den Entführer gelange, und ihn anzugreifen, ehe er mich überhaupt bemerkt. Ich erlaube dem Tier, die Kontrolle über meinen Körper zu übernehmen. So bewege ich mich lautlos auf sie zu.
Dans Stimme klingt flehend. »Warum tust du das, Alan? Du liebst Sylvie, das weiß ich. Warum solltest du ihr dann wehtun?«
»Ich liebe sie, ja. Aber du hast es kaputt gemacht. Du hast ihr eingeredet, ich sei nicht gut genug für sie. Tja, es hat funktioniert. Ich bin nicht gut genug. Aber dir wäre keiner gut genug. Ich werde ihr den Schmerz ersparen, das selbst herauszufinden.«
»Bitte. Denk darüber nach, was du hier tust.« Dans Stimme verstummt abrupt. Dann: »Sylvie. Es tut mir so leid. Was hat er dir angetan?«
Er muss die beiden erreicht haben. Ich schätze, dass ich nur noch ein paar Meter von meiner Zielperson entfernt bin. Ich rücke weiter vor.
Sylvie weint. »Dad. Es tut mir leid. Ich habe Alan angefleht, dich nicht hierher zu holen. Ich habe ihm versprochen, dass ich mit ihm gehe – egal, wohin –, wenn er nur dir und Onkel Burt nichts tut.« Ihre Stimme bricht. »Ich glaube, er hat ihn umgebracht.«
»Nein. Mach dir keine Sorgen um Onkel Burt. Der kommt wieder in Ordnung. Wir haben ihn rechtzeitig gefunden.«
Ich bemerke Dans Fehler im selben Augenblick wie Sylvies Entführer. »Wir?« Seine Stimme schwingt mit einem einzigen Wort von Verachtung zu Argwohn um. »Wer sind ›wir‹, Dan? Hast du jemanden mitgebracht?«
Jetzt kann ich die drei sehen. Sylvie und ihr Exmann stehen mit dem Rücken zu mir, Dan ihnen gegenüber. Ich weiß, dass Dan das nicht mit Absicht tut, doch sein Blick huscht unwillkürlich zu mir, und Alan reagiert im selben Moment. Er wirbelt herum, packt Sylvie an der Kehle und zerrt sie mit sich. Er kann mich nicht sehen, denn ich habe mich rasch geduckt, doch er brüllt in meine Richtung herüber.
»Wer ist da? Sag es mir. He! Ich habe ein Messer, und ich werde ihr die Kehle aufschlitzen, wenn Sie nicht sofort rauskommen.«
Ich sammle meine Kräfte zum Sprung. Dan legt los. Ich höre es, als ich in die Luft schnelle. Alan stößt Sylvie Dan entgegen. Er hebt das Messer, um es ihr in den Rücken zu jagen, doch ich packe mit einem Knurren seine Hand. Er wirbelt zu mir herum, und die Verwirrung verzögert seine Reflexe. Er hat ein menschliches Gesicht erwartet
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