Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
gestolpert, kann mich aber rechtzeitig fangen. Foley ist direkt hinter mir, und ich spüre, wie er auf der Treppe zögert, während meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen. Ich nehme an, er wartet aus demselben Grund. Doch gleich darauf springen über und unter uns Lichter an. Winzige Glühbirnen schimmern sacht am Rand jeder Treppenstufe, und Lampen an der Decke erleuchten unseren Weg.
Darauf also hat Foley gewartet. Mit leisem Grunzen stupst er mich vorwärts.
Die Stufen sind aus dickem Holz, und unsere Schritte hallen ungedämpft durch den schmalen Gang. Es gibt kein Geländer. Die Treppe ist steil. Ich zähle zwanzig Stufen bis nach oben. Da ist eine Tür. Ich strecke die Hand aus, um sie zu öffnen, doch Foley klopft mir auf die Finger.
»Vorsicht«, sagt er. »Wollen Sie gleich den Kopf weggeblasen bekommen?«
Ich spare mir eine Bemerkung über die Ironie dieses Ratschlags, da ich annehme, dass Martinez genau das ohnehin mit mir vorhat.
Foley tritt neben mich. Rechts vom Türknauf ist ein Knopf. Foley drückt darauf. Zwei kurze, zwei lange Summtöne erklingen, kaum hörbar auf dieser Seite der Tür. Sie muss ziemlich dick sein. Gleich darauf klickt es, und die Tür öffnet sich.
Martinez steht uns gegenüber.
Kapitel 39
I ch habe Martinez schon einmal gesehen, vor einigen Monaten, aber nur in der Nacht und aus einiger Entfernung. Damals trug er einen Anzug, und ich hatte den Eindruck, er sei ein stämmiger, dicker Mann. Diesen Eindruck habe ich jetzt nicht. Martinez hat Gewicht verloren – eine Menge. Seine Vogelscheuchengestalt steckt in einem Polohemd mit offenem Kragen, das er locker über Jeans trägt. Er ist barfuß. Sein dunkles Haar wirkt ungepflegt, länger, als ich es in Erinnerung habe, und kräuselt sich über dem Hemdkragen. Es hängt schlaff herab und ist ölig, als sei es seit einer Weile nicht mehr gewaschen worden.
Und es umrahmt ein Gesicht, das von Kummer und Wahnsinn gezeichnet ist.
Ich habe so ein Gesicht schon einmal erblickt. Bei einem Vampir, nicht bei einem Menschen. Aber die Wirkung ist dieselbe. Ich spüre, wie sich meine Muskeln anspannen, als ein Adrenalinstoß mich auf den Kampf vorbereitet.
Doch Martinez greift nicht an. Er rührt sich nicht und nimmt Foley nicht einmal zur Kenntnis.
Er starrt mich an. Seine Augen wirken hohl und leblos. Seine Hände hängen an den Seiten herab, in einer hält er ein kleines schwarzes Kästchen. Daran blinkt eine rote Leuchte. Eine Art Fernzünder? Er steht so vollkommen still vor mir, dass es beinahe unheimlich wird. Ich bin erleichtert, als Foley das unerträgliche Schweigen bricht.
»So«, sagt er. »Hier ist sie. Wann kann ich hier weg?«
Seine Stimme lässt Funken in Martinez’ Augen aufleuchten und holt ihn zurück aus der Hölle, in der er sich verloren hatte. Er stellt das Kästchen auf den Boden neben die Tür, und das rote Lämpchen wird grün. Er wirft Foley einen Blick zu, der mich an das Züngeln einer Schlange erinnert, kurz bevor sie zubeißt – schnell, entschlossen, tödlich. Wenn ich Foley wäre, würde ich zusehen, dass ich wegkomme.
Aber so klug ist Foley natürlich nicht.
»Ich habe getan, was Sie mir aufgetragen haben. Sie lebt. Ich hätte jetzt gern das Geld. Ich muss neue Pläne machen. Die Polizei von San Diego wird hinter mir her sein. Ich kann nicht zurück über die Grenze. Ihr Pilot kann mich doch auch nach Mexico City bringen, oder? Ich habe einen falschen Reisepass. Von dort aus kann ich weiter nach Süden …«
Er plappert nervös vor sich hin, denn erst jetzt begreift er, was Martinez’ Gesicht ihm sagt – dass er einen Mann vor sich hat, dessen geistige Gesundheit auf des Messers Schneide steht. Foley weicht zur Tür zurück, die Hände vor sich ausgestreckt, ein vergeblicher Versuch abzuwehren, was auch immer Martinez ihm entgegenschleudern könnte.
Martinez’ rechte Hand bewegt sich langsam. Foley sieht zu wie gebannt, während diese Hand in den Rücken greift, unter das Hemd, und eine kleine Pistole zieht. Erst als der Lauf direkt auf ihn gerichtet ist, reagiert Foley.
Er packt mich und reißt mich vor sich, um seinen Körper zu schützen. »Nur zu«, sagt er. »Schießen Sie. Aber Max ist nicht hier, um das mit anzusehen, oder? War das nicht die Idee bei diesem dämlichen Plan? Max so leiden zu lassen, wie Sie gelitten haben? Ihn zusehen lassen, während Sie die Frau foltern, die er liebt? Wenn Sie das immer noch wollen, müssen Sie mich hier rauslassen. Geben Sie mir mein Geld und
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