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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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Vermögen für eine Spezialpille. Ich denke, er schmuggelte sie aus dem Westen ein. Die Pille danach. Ich nahm sie und ging gleich ins Bett. Ich bat Ilja, seinen Tagesablauf nicht zu ändern. Er hatte an dem Tag einige Kurse, bestand aber darauf, bei mir zu bleiben. Ich lag den ganzen Tag im Bett, blutete, quälte mich, ohne zu wissen, ob es eine richtige Abtreibung war oder nicht.
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    Er gab mir einen Schlüssel zu seiner Wohnung, damit ich mich selbstständig bewegen konnte. Ich hatte in Riga einige Bekannte und war sehr beschäftigt damit, sie alle zu treffen. Doch die meiste Zeit verbrachte ich mit Ilja: Mittagessen, Buchläden, Thermalbäder, Suppen kochen, und all die Stunden, die wir im Bett verbrachten. Die Jungfräulichkeit unserer Beziehung verschwand.
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    Er erzählte mir von anderen Frauen, mit denen er zusammen gewesen war. Eines Tages rief seine Freundin an und hinterließ eine lange Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Ein anderes Mal schickte sie ihm Schokolade. Er sagte, er hätte vor zwei Wochen, als sie ihn besuchte, nicht mit ihr geschlafen, sie hätten sich wie Freunde verhalten, aber er hatte nicht gewagt, ihr von mir zu erzählen, weil er fürchtete, sie zu kränken.Vielleicht hat es mich gekränkt, dass er ihr nichts von mir gesagt hatte. Er erzählte mir auch, dass sie in seinem Zimmer geschlafen habe, aber in dem zweiten Bett.
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    Eines Tages, noch bei jenem Besuch in Riga, kam ich früher in seine Wohnung zurück. Auf einmal klingelte das Telefon. Eine Frau hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Sie schickte ihm Küsse. Sie sagte, sie hoffe, ihn in zwei Tagen zu sehen.
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    Sofort war mein Kopf ganz leer. Ich wurde von Teufeln geritten. Ich packte meine Sachen, ich schrieb einen Brief an Ilja. Ich schrieb ihm, meine Liebe sei so groß, dass ich es nicht ertragen könne. Dass ich für eine gewisse Zeit Abstand zu ihm haben müsse, vielleicht für immer. Dass ich jetzt bei meiner Freundin bleiben würde, die er ja kenne. Ich ging zu ihr und blieb zwei Nächte dort. Dann wohnte ich bei anderen Freunden. Sie kannten ihn. Sie redeten auf mich ein, dass er mich liebe. Aber ich weinte nur. Es war mein erster Zusammenbruch wegen allzu starker Emotionen.
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    Ich ging nicht in die Uni oder in Buchläden. Ich wollte ihm nicht begegnen. Am dritten Tag, nachdem ich ihn verlassen hatte, ging ich zu einem großen Platz in Riga, ohne mich wirklich umzuschauen. Plötzlich umarmte mich jemand von hinten. Es war Ilja. Kannst du dir das vorstellen? Zufällig traf ich Ilja auf dem größten Platz in Riga. Genauso gut hätte ich ihn nicht treffen können.
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    Er fragte mich nie, warum ich ihn verlassen hatte. Er sagte nur, er sei sehr traurig gewesen, habe aber selbstverständlich meine Entscheidung akzeptiert. Es war der 31. Dezember, der letzte Tag des Jahres. Ich fragte ihn, und wenn ich jetzt denZug nach Sankt Petersburg besteige, wie ich es vorhatte? Und er sagte, dann würde ich Neujahr in Sankt Petersburg feiern.
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    Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter war von seiner Schwester gewesen.
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    Nie hatte ich so sehr gelitten wie in jenen Tagen in Riga, ohne ihn. Nur Gott weiß, warum ich ihn wieder verließ, zweieinhalb Jahre später, diesmal für immer.
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    Bis dahin war viel passiert:
    Wir schrieben uns viele Briefe. Er zog nach Sankt Petersburg. Wir wohnten zusammen (mit meiner Mutter). Seine frühere Freundin wurde Nonne. Er sprach mit meiner Mutter darüber, aber nie mit mir. Einmal beschloss er, mich zu verlassen, und obwohl wir weiterhin zusammenwohnten, waren wir praktisch für drei Monate getrennt. Dann kam er zurück. Ich erfuhr nie, warum. Aus Gewohnheit schlief er mit einer alten Bekannten. Sie trafen sich alle zwei Monate, auch als sie beide schon andere Partner hatten. Später hörte er meinetwegen damit auf. Ich fuhr in Urlaub, aber nie mit ihm, er mochte keine Ferien. Ich fuhr mit seinem besten Freund, der sich in mich verliebt hatte. Ich war scharf auf meinen Klavierlehrer. Manchmal schlief ich mit ihm. Ilja und ich beschlossen, Schriftsteller zu werden. Wir saßen in Cafés und kleideten uns wie Bohemiens, ich trug bunte Wäscheklammern in den Haaren, wir saßen uns gegenüber, mit leeren Schreibblöcken und mit Zigaretten, die wir gerade gekauft hatten, und schrieben. Das heißt, wir versuchten zu schreiben. Dann lasen wir uns gegenseitig

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