Dunkle Obsession
küsste sie leicht auf die Nasenspitze, bevor er in sein Auto stieg.
»Bis morgen Abend.«
Sie sah ihm nach, und das Begehren wühlte ihren Bauch auf. Sie hätte gern gewusst, wie sich diese Finger an einer viel intimeren Stelle anfühlen würden.
Als das Auto nicht mehr zu sehen war, lief sie hastig ins Haus, weil sie sich wieder daran erinnerte, dass ihre Auftraggeberin mit ihr sprechen wollte. Zu ihrer Überraschung schien Lady Corbett-Wynne guter Laune zu sein, und sie lächelte Annabel mit viel mehr Wärme an, als sie es seit Tagen getan hatte.
»Annabel, meine Liebe, ich wollte mit Ihnen über den morgigen Abend sprechen.«
»Über morgen Abend?«
»Die Dekoration auf dem Tisch. Ich hatte zuerst an eine vornehmlich blaue Dekoration gedacht, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Wäre das nicht zu schwer?«
»Vielleicht, ja«, sagte Annabel und erschauerte innerlich bei der Vorstellung eines blauen Arrangements in einem so dunklen Zimmer. »Warum nicht Altrosa? Das ist eine sehr schöne warme Farbe, besonders bei Kerzenlicht.«
»Kerzenlicht auch, finden Sie?« Marina wanderte durch ihren Salon, nahm einen Gegenstand in die Hand, stellte ihn wieder ab und hob wieder etwas auf. Sie war geistesabwesend. »Ja, Sie haben wohl Recht. Um ehrlich zu sein, Annabel, hängt mein Herz nicht mehr an der Party, und auch nicht am Haus, wie Sie vielleicht schon bemerkt haben.«
»Ich hatte eher das Gefühl, es könnte daran liegen, dass wir unterschiedliche Auffassungen haben«, sagte Annabel taktvoll. »Ich habe mich schon gefragt, ob Sie möchten, dass ich abreise, damit Sie jemanden engagieren können, der mehr auf Ihrer Wellenlinie liegt. Auch wenn ich andere Ideen einbringen wollte, so habe ich nie vergessen, dass Sie es sind, die hier leben und sich wohl fühlen muss. Ich werde höchstens noch eine Woche hier sein.«
Marinas Augen weiteten sich, dann starrte sie Annabel nachdenklich an. »Wer weiß, was die Zukunft bringt«, murmelte sie. »Das Leben kann so unvorhersehbar sein, nicht wahr?«
Annabel war verwirrt und hatte keine Ahnung, wovon Lady Corbett-Wynne sprach. Selbst wenn sie einen kurzen Streit mit Sir Matthew gehabt hatte, dürfte der jetzt keine Rolle mehr spielen, und doch sprach sie so, als stünde sie vor einer ungewissen Zukunft. Dabei hatte Annabel das Gefühl gehabt, dass die dritte Lady Corbett-Wynne in dieser Rolle sehr gefestigt war.
»Ich stimme Ihnen zu, dass niemand etwas über die Zukunft weiß, aber es gibt doch bestimmte Fixpunkte, die unverrückbar sind«, sagte Annabel schließlich.
»Aber sind sie das wirklich?«, fragte ihre Auftraggeberin, und plötzlich strahlten ihre Augen. »Gehört zu den Fixpunkten auch, wie wir leben? Oder sollten wir offener für Wechsel sein?«
»Da ich alleinstehend bin, ist mein ganzes Leben ein ständiger Wechsel«, sagte Annabel lachend. »Aber ich glaube, dass es schwieriger wird, wenn man verheiratet ist und solche Verantwortung hat wie Sie.«
»Glauben Sie, dass mein Mann sich um seine Verantwortungen schert?«, fragte Marina heftig. »Ich habe diesen Eindruck nicht. Sehen Sie doch nur, wie er sich den Stallmädchen gegenüber verhält, selbst in meiner Anwesenheit. Ist das ein Verhalten eines erwachsenen Mannes mit Verantwortungen? Nein, das ist es nicht. Und wenn es ihm egal ist, was die Leute über ihn sagen, warum soll ich mich standesgemäß benehmen?«
Annabel wusste, dass die aufgewühlte Frau nicht wirklich Fragen stellte; sie redete zu sich selbst, und Annabel hatte nur das Pech, die Empfängerin all dieser Zweifel und Frustrationen zu sein. Sie konnte nur hoffen, dass Lady Corbett-Wynne nicht in einer Stunde bereute, dass sie sich bei ihrem Gast ausgeweint hatte und ihn auf der Stelle nach Hause schickte.
»Nun?«, fragte Marina und fixierte Annabel. »Antworten Sie mir!«
»Ich nehme an, es gibt keinen Grund, warum Sie nicht nur sich selbst gegenüber verantwortlich sein sollen«, antwortete Annabel und hoffte, dass es das war, was ihre Auftraggeberin hören wollte.
Zu ihrer Erleichterung schien das der Fall zu sein, denn das irre Leuchten in Marinas Augen wurde abgemildert, und sie nickte zustimmend. »Wie vernünftig Sie doch sind. Ich war sicher, dass Sie mich verstehen würden, schließlich haben Sie meine Familie seit Ihrer Anwesenheit bei uns aus nächster Nähe kennen gelernt, nicht wahr?«
Es war eine Feststellung, keine Frage, und Annabel trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Sie fragte sich, wie viel
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