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Dunkle Reise

Dunkle Reise

Titel: Dunkle Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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bald das geschehen würde.
    Und Arienne. So schmächtig sie war, hatte sie sich auf den Steigungen doch gut gehalten. Ihr Gesicht zeigte die Spuren von Anstrengung und Leiden, aber sie besaß noch Widerstandskraft und Ausdauer, und solange sie durchhielt, konnte ich es auch.
    Endlich hatten wir den Pass durchschritten und der Abstieg begann. Die Straße führte in einer weiten Kehre abwärts und durch eine letzte Engstelle zwischen den Felspfeilern eines zerhackten Seitengrates. Wir eilten weiter die Straße hinab, und in dem Augenblick, als wir in der Engstelle hielten, um zum Pass zurückzublicken, trug mir eine Laune des Windes das Geräusch zu.
    Entfernte Hufschläge. Ein leichter Handgalopp, denn nicht einmal Barras konnte ein Pferd nach all dieser Zeit zu schnellerer Gangart antreiben, wenn er es nicht verlieren wollte. Es war aber noch immer doppelt so schnell wie wir.
    Auch Silvus hörte es. Er warf mir einen schnellen Blick zu und in seinen hageren Zügen malte sich Erschrecken. Dann zeigte er nach Westen. Zu unseren Füßen öffnete sich ein Tal, zuerst schluchtartig schmal, bald aber sich weitend. Dort unten, vielleicht eine Meile entfernt, lag die Sperrfeste, auf deren Bergfried das Banner des Ordens wehte.
    »Stehen oder laufen?«, fragte ich.
    »Laufen«, antwortete er. »Barras würde uns schnappen, ob auf Ordensland oder nicht. Vorwärts.«
    Wir eilten im Laufschritt weiter. Die Straße beschrieb eine weitere Kehre um den steilen Hang und erreichte die Baumgrenze, die hier von Krummholz und vereinzelten windzerzausten und knorrigen Nadelbäumen gebildet wurde. Und hier wurde die Straße zu einer richtigen Straße.
    Nachdem wir so lange auf unbestimmten Spuren und obskuren Überresten einer längst vergessenen, überwachsenen Straße marschiert waren, hatten wir uns angewöhnt, darin alles zu sehen, was eine Straße ausmachen konnte. Als nun der Boden unter unseren Füßen fester und ebener wurde und das Buschwerk und Gestrüpp an die Seiten verbannt war, empfanden wir es wie den Übergang von einem Wildwechsel zu einer instand gehaltenen Landstraße. Und sie führte abwärts. Ein Bach gesellte sich zu uns und plätscherte neben der Straße talwärts. Nach Westen, zum Ozean, wo die Festung Ys gestanden hatte. Wir begrüßten die Erleichterung und marschierten, was unsere Beine hergaben.
    Der Zustand der Straße verbesserte sich weiter. Zu beiden Seiten erschien ein Graben, und sie erhielt eine leicht gewölbte Straßendecke aus Kies und Lehm, die mit einer Walze befestigt worden war, sodass Regenwasser in die Gräben ablaufen konnte. Die Oberfläche war glatt und frei von Hindernissen, und wir gingen wieder in Laufschritt über.
    Ich starrte nach vorn, konzentrierte meine Willenskraft auf die Füße und versuchte daran zu denken, was ich sah, um den Schmerz zurückzudrängen. Die Sperrfeste war das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, eine düstere Burg gewesen, doch da wir uns jetzt näherten, schien sie gewachsen zu sein. Es gab Anbauten und ein paar größere Hütten außerhalb der Befestigungsmauer – ich konnte sogar Leute umhergehen sehen, Pferde und Karren. Ein Jahrmarkt? Der Orden legte keinen Wert auf Jahrmärkte. Doch zweifellos wehte der Wind der Veränderung auch hier.
    Die Sperrfeste erhob sich noch immer auf ihrem vorgeschobenen Felsen am Talhang, und die zinnenbewehrte Mauer umgab den grimmigen alten Bergfried und die Wohnund Wirtschaftsgebäude. Die Feste beherrschte das schmale Tal, bevor es sich weitete, und jeder, der die Straße benutzte, musste unter ihr vorbei und konnte kontrolliert werden. Auch wir würden unter diesen Mauern vorüberziehen müssen, aber sie waren noch eine halbe Meile entfernt. Eine halbe Meile – ein Spaziergang von einer knappen halben Stunde – nach den ungezählten Meilen und Tagen unserer Flucht.
    Aber näher würden wir nicht mehr kommen. Ich riskierte einen Blick zurück. Barras und sein Trupp hatten die Engstelle oben am Hang hinter sich gebracht, sahen uns und gaben ihren Pferden die Sporen. Fünf, höchstens zehn Minuten, und sie würden uns fangen.
    Ich zog Silvus am Arm. Er hatte sich in sich selbst zurückgezogen, einen Albtraum von Schmerz und Erschöpfung, eine Trance des Marschierens, und zuerst reagierte er nicht. »Barras!«, rief ich, und das drang durch. Er blickte zurück, wankend, machte Halt und drehte sich um. Er trug noch immer die Armbrust und nestelte einen Bolzen aus seinem Gürtel, um ihn aufzulegen.
    »Nein!«, sagte ich.

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